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Die Königin von Saba/Werther im Erkeltheater Budapest

Die Königin von Saba in Budapest

Ungarn, die erste Heimat des späteren Wahl-Wieners Karl Goldmark, nimmt den 100. Todestag des Romantikers zum Anlass für einen „Goldmark-Marathon“ an den beiden Häusern der Ungarischen Staatsoper mit Konzerten, Lesungen und einer Premiere. Höhepunkt ist die Aufführung seiner ersten und populärsten Oper Die Königin von Saba im Erkeltheater, Budapests „Volksoper“. Eine sommerliche Freiluftaufführung war vorausgegangen. Geradezu intim wirkt nun die Inszenierung von Csaba Káel auf der eher kleinen Bühne. Schauplatz ist - neben Naturräumen im Prolog und Finale - der Jerusalemer Palast von König Salomo. Säulen und eine Freitreppe, vor allem aber die stoffreichen Kostüme mit orientalischen Akzenten fangen den Kontrast zwischen arabischer Welt und Judentum in alttestamentarischer Zeit ein. Ein Hohepriester, Vater der Braut Sulamith, und der jüdische Rabbi gehen am Hofe des weisen Königs gleichermaßen ein und aus. Die ehrgeizige, schöne äthiopische Königin pilgert zu ihm, um von ihm zu lernen - insgeheim aber die Juden zu verführen. Das gelingt ihr bereits auf der Reise, als der Bote des Königs, Assad, sie beim Baden in einem Waldbach beobachtet und ihr verfällt. Kaum bei Hofe angekommen, entzweit die Äthiopierin das Brautpaar Assad und Sulamith. Assad wird nur durch die Fürsprache Sulamiths vor der Todesstrafe bewahrt und in die Wüste verbannt, wohin  Sulamith ihn bis in den Tod begleitet.

Die Assoziationen zu Meisterwerken des 19. Jahrhunderts wie etwa Tristan und Aida sind durch die Dreiecksliebesgeschichte und die Verbannung omnipräsent. Auch in der Musikdramaturgie finden sich reichlich Parallelen vor allem zwischen Verdi und Goldmark, zumal mit den opulenten Aufmärschen und markigen Chören. Musikalischer Höhepunkt der Solonummern ist zweifellos das abschließende, berührende Duett von Assad und Sulamith in der glutheißen, stürmischen Wüste (eine auch optisch besonders eindrucksvolle Szene). Hier haben der äthiopische Tenor Nutthaporn Thammathi und die ungarische Sopranistin Eszter Sümegi - welterfahren und seit über 20 Jahren Publikumsliebling in Budapest - zu Hochform gefunden. Noch in seiner lyrischen Ballade im 1. Akt wirkte der Tenor, der die Partie auch kürzlich in Freiburg sang, matt und wagte das erhoffte hohe C nicht, konnte auch in den dramatischen Passagen nicht wirklich überzeugen. Ebenso forcierte und tremolierte die Sopranistin anfangs, intonierte unsauber und schrill. Das letzte Duett aber singt das Paar berückend intensiv und klangvollendet.

Temperamentvoll und sinnlich ist Erika Gál als Königin. Schöner aber singt Katalin Töreky die kleine Partie ihrer Dienerin. Edel geben sich die Herren - allen voran singt Zoltán Kelemen den König Salomo ebenmäßig und kultiviert - herausgehoben überdies im schönsten Kostüm des Ensembles, einem goldenen Mantel mit weit ausladenden eckigen Schultern und Jugendstilelementen wie sie stellenweise so gut zu Goldmarks Musik passen. Denn in den fast schon impressionistischen Klängen liegt die Besonderheit seiner Partitur - die Vorahnung einer Moderne, die viel differenzierter changiert und psychologisiert als die ausladende Romantik, die dennoch vor allem in den Chören mitreißt. Chordirektor Kálmán Strausz und Dirigent János Kovács leisteten vorbildliche Arbeit.

Man hätte sich einen Hauch mehr Zeitnähe für die Revitalisierung dieser heute so selten gespielten Oper gewünscht - Andeutungen wenigstens zum Heute wie es Kirsten Harms in Freiburg wagte mit der Projektion der Klagemauer etwa. Auch wesentlich sinnlichere, zeitgemäße Balletteinlagen hätten dem Ambiente gut getan. So aber bleibt in Budapest Goldmarks einst so viel gespielte Königin von Saba 140 Jahre nach der Wiener Uraufführung ein musikalisches Museumsstück.

Werther als Kontrast

Im Gegensatz dazu erlebte man Massenets Werther - ebenfalls eine tragische Dreiecksliebesgeschichte und nur 20 Jahre nach Goldmarks Oper uraufgeführt - am folgenden Abend in der Staatsoper. Weich fließend, voller Harmonie in sich ruhend ist das Werk. Sehr behutsam zeichnen Regisseur János Szikora und die Ausstatter Balázs Horesnyi (Bühne) und Yvette Alida Kovács (Kostüme) ein empfindsames Sittengemälde des Biedermeier. Nur ein Jugendstilhaus befremdet, und die Intimität von Werthers Tod in Charlottes Armen am Weihnachtstag wird durch kreischend hereinstürmende Kinder zerstört.

Werther ist Maler, der seine Befindlichkeit von weiten Landschaften bis zu Interieurs - mit schließlich verschlossenen Türen - auf große Leinwände bannt, die auf Schienen über die Bühne gleiten wie in einem Museumsmagazin und so in die schiefe, aus den Angeln gehobene Bürgerwelt eindringen und sie zerteilen.

Auch musikalisch war diese Premiere unter der feinsinnigen, nie exaltierten Leitung des (nicht nur) in Ungarn hochverehrten Altmeisters Michel Plasson makellos und von berührender Stimmigkeit: Arturo Chacón-Cruz überwältigte mit strahlendem Tenor in der Titelpartie. Atala Schöck war insbesondere in den ausgedehnten lyrischen Soli und Duetten eine ebenbürtige Charlotte, Zsolt Haja mit herrlichem Bariton deren getäuschter Ehemann. Das Publikum - ähnlich opernbegeistert wie die Wiener - applaudierte lang anhaltend.