Übrigens …

Wintersonnenwende im Berlin, Deutsches Theater

Lässig bis nachlässig

Eine Beziehungskomödie ohne flache Witzchen hat Roland Schimmelpfennig mit der Wintersonnenwende geschrieben. Das gefiel dem Premierenpublikum am Deutschen Theater, als es handfestes Schauspiel ohne große Effekte geboten bekam.

Was zuvor geschah. Im Mittelpunkt stehen Albert und Bettina, ein Doppel, das sich die Bälle – wie bei bewährten Beziehungen üblich – nach folgendem Muster zuspielt: Er ist intellektuell ambitioniert, aber beziehungstechnisch träge – sie wirft ihm beides vor!

„Lässig bis nachlässig“ nennt Bettina das Lebenskonzept Alberts, das, so beschreibt es das Deutsche Theater in der Rezeption Schimmelpfennigs, „Menschen zeige“, die sich „bequem eingerichtet“ hätten, deren „Fundament aber hohl“ sei.

Das hohle Fundament unserer heutigen Gesellschaft, nachgezeichnet in Schimmepfennigs Stück? Wirklich neu, wirklich konzise mutet der Text vielleicht nicht an, so aber doch zumindest unterhaltsam, wenn Albert (wenig facettenreich: Felix Goeser) in Pulli mit bademantelartigem Strickjäckchen durch die Szene stiefelt. Da hat Judith Hofmann (macht aus Bettina eine elegante Frau mit subtilem Biss) die Sympathien schnell auf ihrer Seite – spätestens dann, als Rudolph auf der Bildfläche erscheint. „Rudolph, who the F*** ist Rudolph“, scheint Albert zu denken, als seine Schwiegermutter Corinna (elegant: Jutta Wachowiak), die zu seinem Ärger bis ins neue Jahr bei dem Pärchen bleiben will, ihre Zugbekanntschaft präsentiert. Rudolph macht aus dem Hausherren Albert schnell einen Statisten.

Die beiden Männer in Alberts Hütte könnten unterschiedlicher nicht sein: Albert selbst, der intensiv zum Nationalsozialismus publiziert hat, ist dröge wie seine Strickjacke, Rudolph dagegen charmant bis zur Unterkante Christbaumspitze, die als Symbol des spießigen Familienlebens irgendwann Richtung Theaterdecke ragt. Unter den reiht sich dann auch der Künstler Konrad (überzeugend irre: Edgar Eckert), Freund der Familie, ein, der sich Rudolphs Präsenz ebenfalls nicht entziehen kann.

Ein bisschen mehr als den vordergründigen Charme, mit dem er seine Bewunderer zu Statisten werden lässt, hat Rudolph (extraklasse: Bernd Stempel) dann noch zu bieten. Der doppelte Boden, er wird hier nicht verraten, kann aber von allen Zuschauern erkundet werden, die sich diesen sehenswerten Theaterabend gönnen wollen.

Überzeugende Inszenierung mit einer Einschränkung: Vielleicht hätte Regisseur Jan Bosse noch etwas mehr schauspielerische Leistung herauskitzeln können.