Eisler on the Beach im Berlin, Deutsches Theater

Marx im Schlafrock

Terrortote in Paris und eine eingeschüchterte Fußballnationalmannschaft, die zurück in die deutsche Heimat fliegt - da tut es doch fast gut, wenn die Geschichte der politischen Verfolgung als Revue mit etwas Musi und Drehbühneneffekt auf die Bretter, die die Welt bedeuten, gebracht wird.

So geschehen am Deutschen Theater, als dort eine „kommunistische Familienaufstellung mit Musik“ namens Eisler on the beach Eingang in die Annalen der Kammerspiele des geschichtsträchtigen Hauses fand.

Worum geht's? Ruth, Hanns und Gerhart (Eisler) sind Kommunisten, das ist für die Geschwister, die sich zwischenzeitlich nicht immer grün sind, ein Problem in den 40er Jahren des vergangen Jahrhunderts.

Hanns Eisler ist der Bob Dylan der 20er und 30er Jahre; der Komponist, der es versteht, das Lebensgefühl einer nach Gleichheit und tieferer Gerechtigkeit strebenden Gesellschaft mit passgenauen Klangfolgen zu versorgen, hat mächtig Erfolg.Unter anderem stammt die Nationalhymne der DDR von Eisler.

Am Deutschen Theater haben sich Tom Kühnel und Jürgen Kuttner, die als Regie-Duo des Abends die Reminiszenz auf den kommunistischen Schwanengesang verantworten, offenbar viel Mühe gemacht, die politische Denkschule möglichst unattraktiv daherkommen zu lassen.

Hanns und Gerhart haben in dieser „Familienaufstellung“ wenig Möglichkeit, charakterliche Facetten der interessanten Männer, die getrieben von Kontinent zu Kontinent durchs kriegsgebeutelte Jahrzehnt huschen, auszuformulieren. Unterlegt mit historischem Material, kommt die Stimmung einer in sich zerrissenen Gesellschaft, in der die Menschen nach Halt suchen und von der Realität enttäuscht sind, zwar irgendwie rüber, doch streng genommen wird dem geneigtem Publikum im Reigen der sich drehenden Bühne wenig Abwechslung geboten: Hanns ist souverän, Gerhart irgendwie nicht ganz so genial wie der jüngere Bruder, und Ruth hockt melancholisch auf einem Bett. Die KPD-Chefin trauert 1941 um ihren Geliebten und ideologischen Seelenverwandten Arkadi Maslow, kommunistischer Parteifunktionär, der unter nicht ganz geklärten Umständen ums Leben kommt. Auch ihre Brüder geraten unter Verdacht, Teil eines Komplotts gegen Maslow zu sein. Parteibuch geht vor Geschwisterliebe. Wie viele europäische Intellektuelle zieht es auch die Eislers in die USA; doch die Liberalität im Land der unbegrenzten Möglichkeiten hört spätestens beim zweiten Buch von „Das Kapital“ auf: Hanns Eisler muss sich wegen „unamerikanischer Umtriebe“ verantworten!

Der bekannteste Bart tragende Ökonom des ausgehenden 19. Jahrhunderts stolpert alsdann an die Bartheke, die der amerikanische Maler Edward Hopper zum Zufluchtsort der modernen kapitalistischen Gesellschaft stilisierte.

Resümee? Eislers Kampflieder erscheinen im Heute reichlich gestrig und reichen allenfalls als Schlaflied für Karlchen, Vati des Kommunismus!