Tot und nicht tot
Aktueller hätte das Gorki-Theater nicht auf das Thema „Flüchtlinge“ reagieren können. Mit In unserem Namen gelingt Sebastian Nübling, Ludwig Haugk und Julia Pustet unter Verwendung von Aischylos' Die Schutzflehenden und Elfriede Jelineks Die Schutzbefohlenen eine inhaltlich wie atmosphärisch überzeugende Impression zur Zeit.
Die Sitzreihen hat das Gorki-Theater in den Keller geräumt und so wurde Platz gemacht für Maryam Abu Khaled, Ayham Majid Agha, Tamer Arslan, Elmira Bahrami, Vernesa Berbo, Karim Daoud, Anastasia Gubareva, Mateja Meded, Cynthia Micas, Orit Nahmias, Tim Porath, Dimitrij Schaad, Hasan Tasgin, Thomas Wodianka, Mehmet Yilmaz - so heißen die Schauspielerinnen und Schauspieler, die teilweise ihre eigenen Lebenslinien, geprägt von Flucht und Ankunft in Deutschland, mit einbringen.
„Die einen sind tot, die anderen nicht“, so fasst es ebenso kurz wie präzise einer der Schauspieler zusammen. Ja, es ist berührend und oftmals auch bedrückend, weil ziemlich real, was dem Zuschauer im Gorki-Theater da in die Ohrmuschel dringt.
Mitunter - wie bei Jelinek durchaus üblich - ist die Sprache konzis bis auf den letzten Zwischenton, der manchmal suggerieren könnte, dass das alles nicht so ernst sei, das Hier, das Jetzt und die menschlichen Schicksale, die sich mit jedem Antrag auf Asyl verbinden. Mit Gespür verbinden die Macher am Gorki-Theater die Direktheit von Jelinek mit Witz aus Die Schutzflehenden zu einem textlich überzeugenden Raum, in dem der Zuschauer viel erfährt: Etwa über die juristischen Hintergrunde, vor dem die Leute auf dem Amt ihre Entscheidungen treffen müssen. So kommen die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu Wort, die in die „Flüchtlingsproblematik“ involviert sind. Klar, so ganz raus hält sich das Theater da nicht, und das Gefühl kommt auf, dass Textcollage und Akteure aufzeigen wollen, wie aus der Problematik eine Chance für die deutsche Gesellschaft erwachsen könnte.
Dann wird’s richtig lustig, als in einer Art verbalem Terroranschlag ein hammerharter Monolog von einem Schauspieler losgetreten wird. Der historische Rückblick in witziger Sprache führt auf, was die Hugenotten, Römer und sonstige Zuwanderer nach Deutschland gebracht haben. Ja, Aquädukte (Römer!) oder Bouletten (Hugenotten!), die hätte es wohl nicht auf deutschem Boden gegeben, wäre es nicht zu wechselnden Zu- und Abwanderungsströmen gekommen. Der fiktive „Nils aus Kiel“ ist hingegen angefressen: „Becher, wer braucht die schon?“, wenn man auch Wasser mit seinen Händen schöpfen kann und aus diesen wie „eine Katze lecken“ könne?
Zurück in die Steinzeit, ohne kulturellen Austausch? In unserem Namen am Gorki-Theater ist jedenfalls ziemlich lebendig - auch – dank Immigration.