La Passion de Simone im Deutsche Oper Berlin

Ein Leuchtkasten als Reflexion

Dem vor allem im Süden Deutschlands verbreiteten Kreuzweg mit 15 Stationen folgt Kaija Saariahos Le Passion de Simone und thematisiert das kurze Leben der ungewöhnlichen Simone Weil, pendelnd zwischen Judentum, Christentum, fernöstlichen Religionen und Marxismus, bis Weil 1943 mit 34 Jahren in einem britischen Krankenhaus an bewusster Unterernährung starb.

Das Libretto des in Paris lebenden libanesischen Schriftstellers Amin Maalouf reißt kurz besondere Situationen und Statements von Simone Weil an, die sich mit ihrem Freitod mit Christus identifiziert hat. Maaloufs Texte provozieren geradezu Musik, wie das an Franz Schrekers „Musik der Stille“ gemahnende „der Stille lauschen“.

In Saariahos Komposition faszinieren gleichermaßen der satte Orchesterklang (als ein deutlicher Gewinn gegenüber der ursprünglichen Elektronik-Version), wie auch die Reduzierung der Mittel, etwa mit abwärts gleitenden, sich vertiefenden Glissandi, orientalischer Melismatik oder Zweitonthemen der Harfe. Sich beschleunigendes Marsch-Tempo bleibt beim Rezipienten als markanter Eindruck ebenso haften wie Klänge der Glocken, oder die im weißen Licht verklärten Schläge des Xylophons und Glockenspiels mit der Botschaft der großen Trommel.

Dirigent Duncan Ward hat diesen Klangkosmos mit den jungen Instrumentalisten der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker trefflich erarbeitet, wobei sich alle Orchetermitglieder vom zweifachen Holz bis zum differenziert eingesetzten Schlagwerk bewähren.

Als sein eigener Ausstatter kommt Regisseur Peter Sellars mit einem rechteckigen Leuchtkasten auf einem quadratischen, schwarzen Podest aus, um diesen „Musikalischen Weg in fünfzehn Stationen“ zu erzählen. In unterschiedlichen Grundfarben und Farbmischungen und mit einer zentralen vertikalen Mittelachse (Vagina und zugleich klassisches Ausrufungszeichen-Signet) ist dieses Leuchtobjekt Rückwand und Beziehungspunkt der einsamen Simone. Distanz zum Ego erreicht sie im Spiel, indem sie einerseits wiederholt ein Buch von Simone Weil zu Rate zieht, andererseits sich selbst immer wieder in der Bezeichnung als ihre eigene kleine oder große Schwester differenzierend entrückt. Die Sopranistin Julia Bullock, als Sprecherin und im Gesang vielfältig schattierend, interagiert auch mit von ihr vorproduzierten Sprechtexten. Sie verkörpert die Mystikerin mit Erfahrungen als Arbeiterin im Renault-Werk überzeugend: eine starke Persönlichkeit  zwischen sämtlichen Fronten von Philosophie und Tagespolitik.

Das Vokal-Quartett (Isabelle Voßkühler, Christine Lichtenberg, Jan Remmers, Wolfram Teßmer) singt hinter dem Spielpodest aus Noten und agiert mit kollektiver, den Text untermalender Gestik. Sellars’ inszenatorische Reduktion auf farbige Leuchtkraft geht trefflich einher mit der Synästhesie dieser Komponistin. So gelingt es dem Abend, sich jenseits der Plakativität beim Betrachter synästhetisch einzuprägen.

Der Applaus am Ende der 75-minütigen, dicht gefüllten Premiere konnte nicht ausbleiben.