Übrigens …

Ophelias Zimmer im Schaubühne Berlin

Emanzipation im Kinderzimmer

Wo soll man anfangen? Am besten bei den großen Vorbildern, die mit Texten ganze Welten gesponnen haben, in denen aus Mythen Menschen wurden, die Jahrhunderte überdauern.

„Es stellt sich die Frage, ob Hamlet, Romeo, Macbeth und andere 'Helden' nicht etwas zutiefst Frauenfeindliches durch die Geschichte schleifen, das bis heute unsere Geschlechterbeziehungen beeinflusst“, erklärt die Berliner Schaubühne zu dem nun Premiere feiernden Stück Ophelias Zimmer.

Wenn man es genau nimmt, könnte es auf die junge Generation schon seltsam wirken, wenn ein Theater die Frage stellt, ob eine gesellschaftliche Konstellation frauenfeindlich ist, in der eine Figur, die im Hamlet die Anweisung bekommt, ihren Freund, solle er mit ihr schlafen wollen, zurückzuweisen hat. Wahrscheinlich muss man nicht bekennende EMMA-Leserin sein, um die Frage mit „Ja“ zu beantworten.

Autorin Alice Birch hat nun die Emanzipation im Kinderzimmer textlich angepackt. Dabei wird’s deftig: „Ich habe an deine Fotze gedacht“, sagt Hamlet, der nicht ran darf an das Objekt der Begierde, sondern den Umweg über den Kassettenrecorder nehmen muss. Die verstörte Ophelia spult indes zurück: „Deine kleine feuchte Fotze. Und daran, wie ich meine Zunge reinstecken will und sie lecken.“

Hamlet wird in der Schaubühne deutlich, was seine Fähigkeiten als Lover anbelangt, und theater:pur darf an dieser Stelle übersetzen: Fotze = Vagina, oft Scheide genannt, eventuell poetischer auch: Liebesgrotte, Muschi oder Mumu!

Eine emanzipierte Ophelia würde wahrscheinlich Hamlet lecken lassen und im Gegenzug auch Hamlets Grottenolm (auch Penis genannt) beglücken - es könnte also recht einfach sein: Ophelia und Hamlet würden Liebe machen und glücklich sein, doch stattdessen wird Ophelia zum „Störi“.

Regisseurin Katie Mitchell setzt Birchs Text in einen kargen und dennoch ansprechenden szenischen Raum (Bühne: Chloe Lamford), in dem Ophelia (bringt deren psychische Verstörung rüber: Jenny König) denkbar leidet. Renato Schuch macht aus dem Hamlet einen energiegeladenen Derwisch. Weiter an der Schaubühne in den fünf Szenen zu sehen: Iris Becher und Ulrich Hoppe.

Am Ende bleibt auch bei diesem Zugriff auf das Thema offen, ob die Isolation Ophelias nun eine fremdbestimmte oder selbst verursachte ist. Und so bleibt es im Jahr 2015 dem geneigten Zuschauer überlassen, sich selbst ein paar Fragen zum Thema Emanzipation zu stellen - vielleicht inspiriert von einem sehenswerten Theaterabend.