Affe und Clown von Mördern
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere beginnt er zu begreifen. Zu einem „Affen der Macht“ habe er sich degradiert, ein „Clown zur Zerstreuung der Mörder“ sei er geworden. Der Affen-Clown trägt in Klaus Manns vor exakt 80 Jahren veröffentlichtem Roman einer Karriere den Namen Hendrik Höfgen. Der ist ein Wiedergänger Gustaf Gründgens`, auf dessen Biographie Manns Roman basiert. Dusan David Parizek hat fürs Schauspiel Zürich eine Bühnenfassung erarbeitet, die jetzt eine triumphale Premiere feierte.
An einen Bunker zu denken, liegt nahe. Zwischen Betonblöcken, die tief in den Bühnenhintergrund verlaufen, hat Parizek seinen Mephisto verortet. Voller Ironie und Witz startet die Fahrt in den Abgrund. Die fünf Akteure des Abends, wahre Teufel der Spiellust und der Verwandlung, steigen kabarettistisch ein in den Höllenschlund. Szenen aus Manns Roman werden beschworen, Karikaturen von Musikinstrumenten tunken die Anfangsszene in köstliche Ironie.
Aus dem Knäuel des Quintetts entwickeln sich schließlich einzelne, in sich geschlossene Szenen, erhalten die Akteure Namen, Profil und Charakter. Noch deutet nichts darauf hin, dass der Schauspieler Hendrik Höfgen mehr ist als ein Schmierenkomödiant an einem Hamburger Theater. Was sich tut an Eifersüchteleien und kleinen Boshaftigkeiten, dürfte in Theaterkantinen ziemlich normal sein. Dass Höfgen kommunistischen Gedanken gegenüber aufgeschlossen ist, ist anfangs ebenfalls glaubhaft. Dass er freilich das mit seinem Kollegen Otto Ulrichs angeblich angestrebte „revolutionäre Theater“ nie ernsthaft anpackt, lässt auf Höfgens` wahres Denken schließen.
Doch schon hier, ist Hamburg, ist der Mime Mittelpunkt, ein kleiner Intrigant und Liebling der Frauen. Juliette Martens, eine farbige Domina, steht in diesem Provinzspiel für die dunkle Seite. Bürgerlich ist seine Beziehung zu Barbara Bruckner, der Tochter eines bekannten und einflussreichen Geheimrats. Dass die Ehe mit ihr, nicht ohne Hintergedanken geschlossen, in die Brüche geht, liegt nahe. Lange geht das spielerisch über die Bühne. Kleine Dramen formen sich zu Geschichten.
Die Regie kann freilich auch ganz anders. Als man glaubt, in die Pause gehen zu können, zieht die Inszenierung mächtig an. Der Welt der Schmierenkomödie in Hamburg folgt die teuflische Zeit in Berlin. Die Akteure schminken sich auf offener Bühne um. Weiße Gesichter, rote Clownsmünder, ein Hitler-Bärtchen dazwischen. Übertroffen wird der Farb- und radikale Stimmungswechsel durch Hörgens Verwandlung in Mephisto. Es ist sein wahres Gesicht. Innerhalb von Minuten radikalisiert er sich inmitten der ihn bewundernden Nazi-Größen zum egozentrischen und morallosen Schauspieler-Star und korrumpierteren Intendanten.
Da lässt, nach den Grimassen teuflischer Genugtuung, das Schlussbild nicht ungerührt. Höfgens´ rheinische Mama nimmt ihren „Jungen" auf den Schoß und tröstet ihn. Eine weltliche Pietà. Und Höfgen erkennt, dass er doch „eigentlich nur ein Schauspieler“ ist. Ungewöhnlich langer Jubel umtoste nach drei Stunden die glorreichen Fünf und deren Regisseur Parizek.