Übrigens …

Pym im Theater Heidelberg

Klaustrophobische Ängste

Eine Seefahrt ist nicht immer lustig, und Gordon Pym spürt das auf dramatische Weise. Denn Romanautor Edgar Allan Poe setzt ihn als blinden Passagier im Schiffsbauch klaustrophobischen Zuständen aus und wirft ihn immer wilderen Abenteuern zum Fraße vor: Zwischen Science-Fiction und Symbolismus gerät er unter blutrünstige Wilde, verliert die Gefährten seiner gefahrvollen Fahrt, muss Kälte und Hitze überstehen, um sich am Ende seiner äußeren und vor allem inneren Reise sein Scheitern einzugestehen. Denn die heißen Fieberträume, in die sich Gordon Pym begibt, sind ein Spiegel der – möglicherweise durch Alkoholexzesse – befeuerten Irrfahrten, die sich als Kopfkino bei Edgar Allan Poe abgespielt haben mögen.

Also ein interessanter Stoff für eine Oper, die deutlich hinweg führt vom üblichen Muster um Liebe, Intrige, Eifersucht und sinnlosem Tod. Pym hingegen begibt sich zurück in Kindheitsträume, will sich neue Welten erobern und wird in der Inszenierung von Johann Kresnik ein Opfer seiner selbst. Wenn er am Schluss von seinem Alter Ego über weiße Stoffbahnen – im Roman eine imaginäre weiße Wand aus Kälte, Nebel und Eis - eingefangen und quasi verschlungen wird, da legt dies die Deutung eines Suizids nahe. Warum nicht? Er wäre nicht der erste, der sich Scheitern auf diese Art eingesteht. Johann Kresnik, der seine erste große Zeit und choreografische Selbstfindung in Heidelberg von 1979 bis 1989 erlebt hat, setzt in seiner Erzählweise auf der Bühne von Marion Eisele mit den Kostümen Erika Landertingers Wert auf suggestive Bilder. Natürlich fließt auch Blut und Entermesser werden geschwungen, das choreografische Beiwerk lässt die ausdrucksstarken Figuren nackt, doch bemalt agieren, und insgesamt setzt sich der Eindruck fest, das der frühere Berserker hier ein wenig aus seinem Formelvorrat schöpft.

So wichtig Kresnik für Heidelberg, so doch wichtiger an diesem Abend die Komposition von Johannes Kaltizke nach dem Libretto von Christoph Klimke, der Poes Roman zur Vorlage genommen hat. Der Komponist findet intensive Klangkonstellationen, um sowohl die im doppelten Sinne atmosphärischen Störungen als auch die inneren Ängste, Hoffnungen und Traumexzesse von Pym und Gefährten zu deuten. Elektronische Zuspielungen schaffen zudem komplementäre Klangvisionen. „Ich wollte Musiktheater als Hybridform von Tanztheater und Oper machen“, sagt Kalitzke. Das sehr engagierte Heidelberger Orchester wird von Elias Grandy mustergültig durch die komplexe, rhythmisch und technisch schwierige, auch anstrengende Partitur geführt, die von einem Vokalquartett komplettiert wird..

Johannes Kalitzke hat die Hauptpartie dem hohen Counter Kangmin Justin Kim in enger Abstimmung zugeordnet. Der ist nicht nur hoch begabt, sondern auch ein brillanter, agiler Darsteller. Kalitzke verlangt viel, gleichwohl überanstrengt er den Sänger nicht, sondern lässt dessen Stimme Entwicklungsräume für nahegehende Gesangsphrasen. Herrn Kim, der auf Youtube mit einer Bartoli-Parodie viele Klicks für sich bucht, zur Seite stehen vor allem der sensibel agierende Bariton Ip?a Ramanovi? als Gefährte Augustus und der stabile Bassist Wilfried Staber in der Rolle des Peter. Hinzu kommt ein beeindruckendes Ensemble aus dem Hause.

Am Ende viel Premierenbeifall für die Uraufführung, dennoch bleibt partiell bei manchen Besuchern auch eine gewissen Ratlosigkeit zurück.