Übrigens …

Viel gut essen im Schauspielhaus Zürich

Wie aus Verlierern Fremden-Hasser werden

An ihr scheiden sich die Geister. Sibylle Berg wird entweder geliebt oder äußerst kritisch beäugt. Vorbei kommt man an der in Weimar geborenen 53-Jährigen freilich kaum. Zumal nach der Schweizer Premiere ihres Stücks Viel gut essen, die Sebastian Nübling im Zürcher Schauspielhaus exzellent und spielerisch-leicht, dabei die Stimmung dieser Wochen und Monate aufnehmend, in Szene gesetzt hat.

Es geht um Neid und Hass der Verlierer, die ihre Angst und Wut auf Ausländer und Flüchtlinge lenken.

Die bis zu den Brandmauern aufgerissene Bühne im Zürcher „Pfauen" ist kahl und farblos. Drei Männer mit Schnäuzer, beiger Knitterhose und Pulli trudeln herein, umrunden den Raum, bleiben stehen, quasseln - dem Publikum zugewandt. Mal redet einer, meist zwei, dann unisono alle drei. Doch dieser Chor ist keiner aus der griechischen Tragödie. Er sprüht vielmehr vor Vergnügen. Und sehr bald spürt man: Die da reden, sind eigentlich nur einer. Kein Wunder, ist Sibylle Bergs Stück doch ein einziger Monolog. Blendend, wie Sebastian Nüblings Regie dem Trio - Hilke Altefrohne, Henrike Johanna Jörissen und Lena Schwarz - vergnügliche Funken entlockt. Dass die drei Schnauz-Träger in Wirklichkeit Frauen sind, ist kaum zu glauben, so männlich reden und handeln sie. Zudem verpassen sie dem Abend eine ganz besondere, eine verwirrende Note. Der Griff in den Schritt: ein einziges Vergnügen.

Die Leichtigkeit hält an. Dass unserem dreifachen Helden nach 17 Jahren schönsten Familienfriedens Frau und Kinder weggelaufen sind, wird wie nebenbei bekannt. Dass ihm auch noch die Wohnung flöten geht, der einst heimische Stadtbezirk sich völlig verändert, sprich: Heimat für Migranten, Asylanten, Schwule und anderes „Pack", lässt die Situation dann aber doch ungemütlich werden.

„Haltet die Fresse da draußen!", wird unversehens gegen die Bühnenwand geschleudert. Zu hören ist von den „Fressen" freilich nichts. „Die Welt ist ein Scheißhaufen geworden", tönt das namenlose Trio-Individuum weiter. Das Lob der Familie ist Vergangenheit, das Fremde bricht ein, aus dem Gutmensch wird ein Wutmensch.

Zwei grüne Zimmerpflanzen haben die Spielfläche ein wenig heimeliger gemacht. Und ganz allmählich unterteilt ein durchsichtiger Vorhang, wie von Geisterhand in zahlreichen Windungen vom Hintergrund bis zur Rampe gezogen, den Bühnenraum. Es wird schleierhaft.

„Ich bin wütend, ich habe Angst!" Wovor nur, fragt sich der bestens unterhaltene Theaterbesucher im Zürcher Schauspielhaus. Damit beginnt nämlich auch das Problem mit dieser blendend-leichten und luftigen Inszenierung. Denn wieweit die Autorin die Wandlung vom Mittelstands-Bürger zum Bedenken-Träger und Fremden-Hasser – „man wird ja noch fragen dürfen" - verständnisvoll begleitet oder dazu neigt, der „Willkommenskultur" ihren Segen zu geben, bleibt unentschieden. Aber vielleicht ist das ja nicht das Schlechteste, was man über einen Theaterabend in diesen Tagen sagen kann.

Großer Jubel nach nur siebzig Minuten für die anwesende Autorin, Nüblings Regie und das blendende Frauen-Trio.