Herman, das Weichei
Was ist besser als eine Frau? Drei Frauen! Herman Broder, die Hauptfigur in Feinde - die Geschichte einer Liebe in Isaac Bashevis Singers After-Auschwitz-Epos ist ein waschechtes Weichei: Den Krieg hat er überlebt, indem er sich bei einer tumben Bäuerin auf deren Heuboden eingenistet hat, seine Frau und Kinder glaubt er in den Gaskammern vernichtet, so dass ihn nichts daran hindert, mit der Landfrau nach Amerika auszuwandern und diese zu heiraten. In Amerika findet er schnell Abwechslung bei der hübschen Masha; und zu Hause hält ihm Bäuerin Yadwiga die Wäsche sauber.
Herman hat ein schönes Leben, könnte man denken, doch dann taucht Exfrau Tamara auf der Bildfläche auf. Die ist zäh und hat den Krieg gerade so mit einer Kugel in der Hüfte überlebt. Nun gibt es also drei Frauen in Hermans Leben.
Am Gorki-Theater kommt Singers Text als dichtes Beziehungsgeflecht daher, das die Premierenzuschauer spürbar überzeugte: Weichei Herman Broder (gespielt als lavierender Typ mit Hang zum Jammern: Aleksandar Radenkovic) kann sich nicht für eine der Damen entscheiden - stattdessen legt er alle drei flach und hält sie gleichermaßen hin.
Ja, wie soll man das Stück im Jahr 2016 verstehen? Der Krieg ist lange vorbei und wir alle wissen, was ein Rabbi ist. Folgerichtig, dass sich Regisseurin Yael Ronen auf das unheilvolle Beziehungsgeflecht der Charaktere konzentriert. Die sind vor dem Hintergrund ihrer Schicksale zu sehen, aber sind sie deshalb auch unfrei? Herman ist kein Sunnyboy, auch wenn er bei den Frauen ankommt, aber auch kein gebrochener Typ, der die Kriegstraumata nur mit Sex verdrängen kann: Er scheint einfach ein schwacher Mensch zu sein! Und die Frauen, sind die dann automatisch stark, nur weil sie Herman kritisieren, ihm die Pistole auf die Brust setzen und er es doch jedes Mal hinkriegt, sie mit einer neuen Ausrede um den Finger zu wickeln? Masha (gibt überzeugend den Vamp zwischen kleinem Mädchen und selbstbestimmter Verführerin: Lea Draeger) scheint Hermans große Liebe zu sein - doch sie behandeln sich schlecht und Herman schwängert erst mal seine Hausfrau Yadwiga (toll gespielt mit Mut zur Groteske: Orit Nahmias). Die wiederum weiß zwar nicht, wie sie die Subway zu benutzen hat, spürt aber Hermans doppeltes Spiel. Tamara (mit spitzer Zunge und Gespür für den richtigen Ton ausgestattet: Cigdem Teke) scheint stark wie eine Löwin, und die Frage kommt auf, ob Herman und sie wirklich nur der Krieg entzweite: Weichei hier, Löwin dort - ob das passt?
Am Ende scheint sich Herman zu einer Art Entscheidung durchgerungen zu haben, nachdem er in seiner kleinen Welt (zurückhaltendes Bühnenbild: Heike Schuppelius) einen emotionalen Scherbenhaufen hinterlassen hat. Und die Frage bleibt, inwiefern jeder für sein individuelles Glück selbst verantwortlich ist.