Übrigens …

Der Golem im Nationaltheater Mannheim

Verstörende Traumbilder

Das Nationaltheater Mannheim hat sich in den Jahren des zum Saisonende ausscheidenden Opernintendanten Klaus-Peter Kehr zu einer Musterstätte der Pflege zeitgenössischen Musiktheaters entwickelt. Jetzt wurde Der Golem von Bernhard Lang uraufgeführt, nach dem 1912/13 veröffentlichten Roman von Gustav Meyrink, der als Klassiker phantastischer Literatur gilt. Peter Missotten hat sich dazu über Libretto, Regie, Bühne, Licht und Videos eine seltsam verstörende, phantasievolle Folge von Traumbildern einfallen lassen, über denen die Musik des Komponisten für das Kaleidoskop der Verwirrungen ein kongruentes Leben entwickelt.

Denn erzählt wird nicht die Geschichte eines Rabbi, der aus Lehm den Golem schöpft und ihm Leben einhaucht, sondern beschworen werden die Halluzinationen des Gemmenschneiders und Antiquitätenrestaurators Athanasius Pernath, dessen Leben durch den Besuch eines mysteriösen Fremden aus den Fugen gerät. Bernhard Lang und Peter Missotten entwickeln in 22 Kapiteln innere und äußere Bilder, wobei die Zahl als Reverenz ans hebräische Alphabet gesehen werden kann.

Thematisiert werden Doppelgänger-Überlagerungen und Projektionen, als ob die Hauptfigur mühsam in die Schichten des Unbewussten und Über-Ichs eintauchen wollte. Hierbei gehen Bilder, Szene und Musik eine in sich stimmige Verbindung ein, zumal Dirigent Joseph Trafton die kompliziert-komplexe Partitur gemeinsam mit dem ausgezeichneten Chor und Nationaltheater-Orchester suggestiv auslebt und die Klangmaschine am Laufen hält.

Die Hauptfigur Athanasius Pernath findet in Bariton Raymond Ayers einen perfekten Interpreten, dessen Double Steven Scheschareg illustriert die komplementären Seiten. Als Charousek/Wassertrum überzeugt Altus Alin Deleanu, und Astrid Kessler leiht der Doppelrolle Angelina/Kellnerin intensive Soprangestalt und aktives Spiel. Für die vielen Partien insgesamt hat das Haus stets ein ausgezeichnetes Ensemble parat, das in den skurril-sensiblen Kostümen von Lotte Milder die Bühne belebt.

Ein eindrucksvoller Opernabend eines Komponisten, der schon 2010 mit Montezuma – Fallender Adler am Nationaltheater Mannheim für Aufsehen gesorgt hatte.