Übrigens …

Das Rheingold im Badisches Staatstheater Karlsruhe

Im Anfang schon das Ende

Der Kunstgriff gefällt, denn er zeigt die Verwundbarkeit von Helden, die sich göttlich wähnen und dennoch nur banale Menschen sind. Im Karlsruher Rheingold wird das Ende schon vorweggenommen, wenn quasi als optische Übertitelung Walküre, Siegfried und Götterdämmerung zitiert werden. Der Flammenbrand, ein Gewaltausbruch von Siegmund zur Sieglinde, und der blutbefleckte Siegfried, dem Kampf alles ist und der an seinem sturen Naturell scheitert, einschließlich eines Wotan, dem gleich im Rheingold sein Speer zerschmettert wird. Spots, die zeigen, dass im Anfang schon das Ende programmiert ist.

Überflüssig sind die folgenden Produktionen natürlich nicht, zumal Karlsruhe für jedes Element der Tetralogie, die Ende 2017 enden wird, einen anderen Regisseur vorsieht. Auch das scheint eine konzeptionelle Idee, die Erwartungen weckt. Rheingold von David Hermann ist konsequent irdisch angelegt. Die gülden kostümierten Rheintöchter  (Uliana Alexyuk, Stefanie Schaefer, Katharine Tier) aalen sich vor nächtlichem Sternenhimmel auf flachem Felsen, unter dem ein sanftes Quell-Brünnlein plätschert. Sie sind dem Diesseits zugewandt, der Hort scheint ihnen ziemlich egal, und sie würden gerne etwas erleben. Aber nicht mit diesem abgewrackten Alberich, den Jaco Venter als wütenden Looser ausgezeichnet singt und darstellt. Erleben möchte auch Freia das pralle Leben, ein Flittchen, das keine Hemmungen hat, mit Fasolt (sehr präsent: (Yang Xu) anzubandeln, der wie ein Immobilienmakler daher kommt, und von Fafner (prägnant: Avtandil Kaspeli) wegen unterschiedlicher Zielvorstellung erschlagen wird. Freia – gut in Form:  Agnieszka Tomaszewska – wirft sich schluchzend über den Beinahe-Freier.

Da fragt sich Wotan (zentral: Renatus Mészár) offenbar, warum das ganze Getöse, auch im Nibelheim-Gulag wirkt er leicht desinteressiert, obwohl es da um ziemlich viel Gold geht. Denn so toll ist die von den Riesen gebaute Burg mit schäbigem Konferenztisch-Interieur auch wieder nicht (Jo Schramm hat die Bühne passgenau gefügt), als dass man ein Töchterchen dreingeben sollte. Auch Gattin Fricka im schlicht geschnittenen grauen Kleid (stimmige Kostüme: Bettina Walter) ist sich unschlüssig, ob sie einen großen Ehekrach riskieren soll, und Roswitha Christina Müller verkörpert sie glaubwürdig. In diesem Reigen erdgebundener Figuren ist ein großes Gesangsensemble zu bewundern, mit Seung-Gi Jung (Donner), James Edgar Knight (Froh), Matthias Wohlbrecht (Loge), Klaus Schneider (Mime) und Ariana Lucas (Erda).

Justin Brown am Pult lässt mit der Badischen Staatskapelle einen faszinierenden Rheingold-Aufriss hören; er hält die Partitur immer im Fluss, entlang der Sänger-Phrasen, denn für ihn ist diese Musik von der Konversation der Helden, oder besser Antihelden geprägt. David Hermann und sein Team haben eine eigenwillige, aber eigenwertige Rheingold-Sicht zur Diskussion gestellt. In die Premieren-Begeisterung mischten sich einige Buhs.