Übrigens …

Schatten (Eurydike sagt) im Schaubühne Berlin

Sexklamotte trifft surrealen Horror

Ganz schön abegefuckt ist diese Unterwelt, also Fuck, kann man da nur sagen, gerade wenn man in der Schaubühne war und Dieter Wedel am Eingang bei Dunkelheit mit Sonnenbrille erspäht hat. Also nochmal Fuck, und als wäre es zu hell in dieser Unterwelt und vor der Türe, bleibt aufgrund technischer Probleme erstmal das Licht bei der Premiere von Schatten (Eurydike sagt) an. So schnell können Kunstgriffe danebengehen, zumindest technisch gesehen, künstlerisch geht der Plan dann auf, als die kleinen Probleme beseitigt sind.

Ja, ein ganz schönes Spektakel hat Technikliebhaberin, Regisseurin Katie Mitchell auf die Bühne gezaubert: Vier Schauspieler dürfen Kameras tragen und Eurydike abfilmen, wie sie in einem VW in Richtung Unterwelt cruist.

Diese Eurydike, sie kann einem leid tun, denn Mitchell stilisiert sie zur devoten Tanten im Vampoutfit. Gänzlich künstlich, nicht mal eine eigene Stimme hat sie, sondern Schauspielerin Stephanie Eidt sitzt in einer Sprechkabine und synchronisiert die Innenschau mit ordentlich erotischem Timbre. Auch bei Pornos wird dieser Kunstgriff manchmal angewendet, weil es billiger ist, wenn eine Schauspielerin nachsynchronisiert wird. Jule Böwe ist in sexy schwarz gepresst und macht auch ansonsten einen gestressten Eindruck, wenn sie sich mit Macho-Orpheus alias Renato Schuch herumschlagen darf, denn anstatt diesen zu befriedigen wäre sie lieber Schriftstellerin – doch der Traum versandet irgendwo zwischen Quickie und Blow-Job.

Die Bilder werden großflächig auf eine Leinwand geworfen, der Film ist live und damit unmittelbar, wenn die holzschnittartigen Figuren wie in einem surrealen Horrorfilm durch die Kulisse irrlichtern.

Was ist das für ein Film, den Mitchell da entwirft?

Die Vorstellung erinnert mal an einen Gangsterfilm, wenn Eurydike auf der Flucht vor Orpheus ist, mal an eine Sexklamotte, wenn zunächst der Slip runter gezogen wird, als Orpheus in Gestalt eines Popstars vor seiner Vorstellung noch Lust auf einen Quickie hat. Fuck, kann man da nur sagen und Eurydike macht mit, willfährig aber deutlich angenervt, als sie nach dem Spontansex neben dem Rockkonzert steht und über die Groupiedichte nachdenkt und dann auch noch von der Schlange gebissen wird. Die Halbgötter von heute sind die Pop- und Filmstars, erklärt uns Mitchell?

Elfriede Jelineks Text kommt auf der Schaubühne knackig daher, denn die Filmerei, die cinemaeske Anmutung ist gefällig. Zu gefällig? Ich meine nein, denn gerade durch die Überzeichnung wird klar, dass Eurydike nichts zu sagen hat, auch wenn die Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt wird. Ist das dann feministisch, wenn Eurydike plötzlich als verkappte Schriftstellerin geoutet wird? Ach nein, das glaubt theater:pur im Jahr 2016 nun nicht mehr, aber ästhetisch und pointiert ist es allemal, so dass der Text vor den richtigen Scheinwerfer gestellt wird.