Unbarmherziges Schicksal
Sie prügeln sich, die knackigen Burschen der verfeindeten Clans und gefochten wird auch auf der kleinen Bühne des Rokokotheaters. Dort hat sich die Reihe Winter in Schwetzingen während der vergangenen elf Jahre zu einem respektablen Barock-Spektakel entwickelt, bei dem musikhistorisch wertige Ausgrabungen wie aus der neapolitanische Schule für Amüsement, manchmal sogar für Furore sorgen. Namen wie Scarlatti, Porpora, Traetta, Jommelli oder Vinci stehen für diese dramaturgische Philosophie.
Jetzt also Zingarelli (1753-1837), ein Mann des Übergangs vom Barock bis zum Belcanto, zu dessen Schülern Bellini und Mercadante gehören. 1796 wurde sein Hauptwerk Giulietta e Romeo an der Mailänder Scala uraufgeführt, 1829 kam es zu einer Produktion an der Münchner Hofoper, nach 1837, wurde es still um diese Oper. Obwohl das Werk des Hörens wert ist, denn Zingarelli löst sich von seinen barocken Wurzeln und lässt das 19. Jahrhundert kompositorisch ahnen. Die Rezitative sind reduziert, manches gemahnt an Mozart, anderes wieder schielt in Richtung Belcanto-Ästhetik. Gute Musik, durchaus attraktiv aufgemacht vom Philharmonischen Orchester Heidelberg, das unter Leitung von Felice Venanzoni viel an Affekten bereit hält.
Nadja Loschky inszeniert die Angelegenheit. Hinterm Gazevorhang sind die Schemen erkennbar, die der Liebesgeschichte den tragischen Touch geben werden. Davor wird gesungen und bei Bedarf öffnet sich das Tableau zu aktivierter Handlung. Angenehm anzuschauen sind Bühne (Daniela Kerck) und Kostüme (Violaine Thel); es bleibt genügend Raum und Optik für die Protagonisten. Da fällt vor allem der Counter Kangmin Justin Kim als Romeo auf, der seine Stimme mit viel Ausdruck und Farben führt und lebendiges Spiel einbringt. Terry Wey (Gilberto) ist ein anderer Counter-Typus: ruhiger, ausgeglichener, aber gleichwohl beeindruckend. Die Giulietta ist mit Emilie Renard besetzt, die über eine frische, lyrische gefärbte Mezzo-Stimme verfügt und anrührend in ihrer spontanen Verliebtheit und Zärtlichkeit agiert. Den enttäuschten Verlobten Teobaldo singt Namwon Huh, den Giulietta-Vater Everardo Zachary Wilder. Zwei Tenöre mit unterschiedlichem Timbre, jeweils passend zur Partie. Der eine fügt sich in sein Schicksal, der andere wird von Schuldgefühlen ob des Todes von Töchterlein Giulietta geplagt. Ja, ja, die Familienehre stand auf dem Spiel, und als es Everardo dämmert, ist alles zu spät. Rinnat Moriah gefällt in der Rolle der Vertrauten Matilda ebenfalls, doch auch sie kann das unbarmherzige Schicksal nicht wenden.
Am Ende trauert Romeo am Katafalk und nimmt den Todestrank; Giulietta indes erwacht aus der Starre, sieht ihren Geliebten röcheln und nimmt sich das Leben. Liebe kann so voller Schmerz und Tragik sein, zumindest im Libretto von Maria Foppa, das Niccolò Antonio Zingarelli so griffig vertonte. Allseits zufriedenes Publikum.