Übrigens …

Hercules im Nationaltheater Mannheim

Mit ironischem Unterton

Am Ende hebt eine Hercules-Rakete ab. Sie fliegt hoch bis zu den Sternen, denn die Seele ihres Namensgebers soll unsterblich werden. Dort im Olymp wird er seine Ruhe finden, die ihm auf Erden verwehrt war. Diese Rakete ist eines von vielen Bildern, die der Bühnengestalter, Kostümdesigner und Regisseur in Personalunion, Nigel Lowery, für die Produktion der Oper Hercules von Georg Friedrich Händel parat hat. Ihnen eignet ein durchgängig ironischer Unterton, mit dem der Engländer seine Sicht unterfüttert. Es ist das Drama um eine eifersüchtige Ehefrau Dejanira, die ihren Ehemann mit momentan ungerechtfertigten Szenen verfolgt und letztlich versehentlich zur Strecke bringt, doch möglicherweise hatte dieser Hercules bei seinen Wundertaten zuvor nichts anbrennen lassen. Jetzt aber unterstellt sie ihm eine Liebelei mit der liebreizenden Kriegsbeute Iole, die aber hat es auf Sohn Hyllus abgesehen.

Lowery verlegt das Geschehen ins Mittelalter; in der Eingangsszene verirren sich die Protagonisten hinter Säulen im karg-gotischen Kirchenraum. Fast ein Beitrag zum Lutherjahr, so streng, abweisend und eng wirkt hier der Raum. Später wird das hoffnungsvolle, noch kindlich unreife Liebespaar Hyllus/Iole schüchtern hinter und unter Burgzinnen anzubändeln versuchen, er wie ein Minnesänger, sie mit koketter Diskretion. Kostüme erinnern zuweilen an eine verstaubte Meistersinger-Produktion, und Hercules kommt auf einem zottigen Kaltblut-Gaul angetrottet, den ein Knappe am Zügel zerrt. Dann wird er die wuchtige Keule schwingen, sein mythologisches Markenzeichen. Die durchaus stimmigen Bilder und die Personenführung von Nigel Lowery lassen den Schluss zu, dass er über seinen hintergründigen Humor mit Elementen der Genre-Parodie arbeitet und damit Erfolg hat, was auch für das leckere Spanferkel gilt, an dem der Heimkehrer herumsäbelt.

Aus dem Orchestergraben tönt es ausgezeichnet, denn Bernhard Forck, künstlerischer Leiter der Händel-Festspiele Halle und anerkannter Spezialist, setzt in historisch angenäherter Spielweise mit dem Nationaltheater-Orchester auf Transparenz, Vielfalt der Akzente und differenzierte Klangrede. Dazu stehen ihm noch ein von Dani Juris explosiv vorbereiteter Chor und gute bis exzellente Solisten zur Verfügung. Allen voran Eunju Kwon als zauberhaft naive Iolo und mit lyrisch-leichtem Sopran für elegante Koloraturen und feine Gefühle gesegnet. Viel Schliff und Ausstrahlung bringt die Mezzo-Sopranistin Mary-Ellen Nesi für die Partie der Dejanira ein, doch manchmal hätte man ihr mehr Furor für die Eifersuchtsszenen gewünscht. Thomas Berau gibt der Titelfigur Profil. Als Keulenschwinger spielt der den tumben Tor, als Ehemann den Braven, der kaum merkt, was da los ist. Seine Koloraturen kommen etwas steif, aber sein heldischer Bariton hat Kern und Kraft. Eine gute Partiegestaltung glückt David Lee als Sohnemann Hyllus mit genau zeichnendem Tenor; als Botin Lichas singt sich Ludovica Bello mit ihrem so schön timbrierten Mezzo in den Vordergrund, und Philipp Alexander Mehr singt den klassischen, sonoren Jupiter-Priester.

Das Publikum goutierte die Premiere des „Musical Drama“, zwar ohne Überschwang, aber mit deutlicher Favorisierung der Musik.