Übrigens …

Les Contes d'Hoffmann im Theater Meiningen

Les Femmes!

Fast so viele Fassungen wie Inszenierungen gibt es von Offenbachs Les Contes d’Hoffmann und jedes Regieteam kann sich im Grunde seinen „eigenen“ Hoffmann basteln und interpretieren. Das macht aber gerade diese Oper auch immer aufs Neue spannend. In Meiningen verbindet Christian Poewe die Akte um die drei gescheiterten Lieben des Dichters Hoffmann mittels eines Blicks auf dessen Schaffenskraft. Im Vordergrund sehen wir sein „Arbeitszimmer“: eine mechanische Schreibmaschine auf blankem Bühnenboden und viel zerknülltes Papier darum herum. Je nach Gefühlslage wechseln sich bei Hoffmann Arbeitswut und totale Schreibblockade ab.

Hoffmann muss sein verkorkstes Liebesleben bewältigen. Und so vergegenwärtigt er sich noch einmal der drei Frauen in seinem Leben. Dafür baut Christian Rinke einen stoffeingerahmten, herauf fahrbaren Metallkubus.

Als erstes trifft er dort Olympia, den Automaten. Regisseur Poewe findet hier ein zwingendes Bild. Olympia ist eine jener perfekten Hausfrauen der 1950er Jahre, wie man sie aus frühen Werbesendungen kennt: Immer fröhlich und lächelnd putzt, bügelt sie und saugt Staub, nur dem Wohl ihres Herrn und Meisters verpflichtet. Ihr Schöpfer Spalanzani (mit Trump-Perücke!) offenbart so sein Frauenbild. Als Gäste zur Vorführung seiner Erfindung hat er deren Produktionsvorstufen eingeladen, lauter halbfertige Automaten. Herrlich!

Antonias Krankenbett ist blutrot und steht senkrecht im Kubus. Im Grunde genommen ist es ein Sarg und Tanja Hofmann kleidet sie folgerichtig in Weiß. Das kann sowohl Totenhemd als auch Brautkleid sein. Die Kurtisane Giulietta räkelt sich in einer Badewanne - ganz in Goldtönen gekleidet und von einem muskelbepackten ebenfalls goldenen Galan verwöhnt-

Christian Poewe bietet wirklich etwas fürs Auge und sorgt so dafür, dass dieser Hoffmann nie langweilig wird. Was etwas fehlt, ist eine tiefere Figurenausdeutung. Vor allem bleibt die Frage offen, wer dieser Hoffmann eigentlich ist und ob er sich verändert.

Gesungen wird prima in Meiningen. Das gilt für Martin Wettges’ Chor und auch für die vielen kleineren Partien. Stan Meus ist nahezu eine Idealbesetzung für die Dienerrollen mit seinem hellen Tenor, den er bis zum „Bellen“ zuspitzen kann. Er rührt geradezu als Frantz, der so gern singen und tanzen können möchte. Marián Krejcík singt die Bösewichte und tut das mit ebenmäßigem, schön geführtem Bariton. Was ihm an boshafter Schwärze noch fehlt, wird sich entwickeln.

Elif Aytekin lässt die Olympia-Koloraturen nur so perlen, dass das Zuhören die reinste Freude ist und Sonja Freitag als Antonia umwölkt ihren Sopran wie mit einem Trauerflor, während sie sehnsuchtsvoll und hoffnungslos zugleich das Lied von der Taube singt. Sehr selbstbewusst und fordernd ist die Giulietta von Camila Ribero-Souza, einer Frau, der man anhört, dass sie genau weiß, was sie will.

Carolina Krogius steigert sich als Muse im Laufe des Abends enorm, changiert zwischen zarten hellen und dunklen Farben. So wird sie mal Trösterin für den armen Dichter, mal treibt sie ihn an. Scott MacAllisters Tenor bietet alles, was für die Titelrolle nötig ist: eine schöne Höhe und kontrastreiche Farben. Im Giulietta-Akt zeigt er kurz Konditionsprobleme, die sich aber zum Finale hin wieder geben. Insgesamt gelingt ihm ein ausgezeichnetes Rollenportrait.

Kapellmeister Chin-Chao Lin und die Meininger Hofkapelle lassen Offenbachs Partitur freien Lauf. Das pralle Leben bringen sie zum Klingen. Alles fließt und strömt wie aus einem Guss.

Das Meininger Publikum kann sich über einen Augen- und einen Ohrenschmaus freuen.