Übrigens …

High (du weißt wovon) im Schauspielhaus Zürich

Circus Maximus und seine tiefere Bedeutung

Eines lässt er sich nie nehmen: Was er als Autor dem Theater zumutet, präsentiert er auch als eigene Inszenierung. Manche sehen in ihm einen Chaoten, andere lassen sich von seinen Phantasmen gerne faszinieren. Authentisch ist René Pollesch immer. Auch mit seiner neuesten Theater-Schau High (du weißt wovon), die der im hessischen Friedberg vor 54 Jahren geborene Mitstreiter eines Frank Castorf jetzt auf die Spielfläche des „Schiffbaus", der variablen Dramen-Bühne des Zürcher Schauspiels, versetzte.

Zürichs Publikum „spielte" gerne mit bei der rasanten Präsentation des aus Berlin Angereisten, der mal wieder die Welt neu erfindet. Dazu bedarf es, im Bühnenbild Barbara Steiners, dreier weiblicher Mimen, eines männlichen Partners - und eines 14-köpfigen Damenchors. Das High-Spektakel hat Circus Maximus-Dimensionen. In der riesigen langgezogenen Halle rennen der Chor und das Quartett fast pausen- und oft atemlos rund um einen den Raum teilenden Zuschauerblock, von dem aus nur je eine Hälfte des circensischen Spiels zu verfolgen ist. Auf einer Leinwand ist zu sehen, was auf der jeweils anderen Längsseite passiert.

Sie rennen und hasten, quatschen durcheinander und missverstehen sich, geben mal kluge, mal logisch kaum nachvollziehbare Weisheiten von sich. Um was es dem Autor dabei geht, entschlüsselt sich bald: Der „Bedeutung", die der Mensch den Dingen mitgibt, soll der Todesstoß versetzt werden. Ist sie es doch, so Polleschs Weltsicht, die die Menschheit seit dem Urknall in Missverständnisse stürzt.

Dieser „Bedeutung" rennen Chor und Individuen permanent hinterher. „Hier werde ich nicht dadurch belästigt, was was bedeuten soll", versteigt sich eine aus dem Quartett. Das verwirrt nicht nur, es lässt auch aufhorchen. Zumal dann, wenn einer der Kernsätze des Abends lautet, dass „Denken fühlen" ist und man „das nur zu zweit" kann.

Das Grundproblem dieses Pollesch-Spektakels ist und bleibt aber: die Frage nach der Bedeutung. Denn ohne sie wäre auch des Autors Kampf theatralisch kaum verständlich. Ein Teufelskreis. Das Rennen im Zirkus-Rund, der Käfig auf Rädern, in den sich mal das Quartett, mal alle begeben, die Kostüme (der Chor ist zu Beginn in Häftlingskleidung, später in bunte Kleidchen verpackt) - nichts ist zu haben ohne die Frage nach dem, was die theatralischen  Aktionen bedeuten sollen und wollen.

Pollesch erinnert, bei aller Sympathie für sein unkonventionelles und buntes Spiel und der hinter allem auch lauernden Melancholie, an einen Don Quichotte, der mit Windmühlen kämpft und dabei nie gewinnen kann. Das muss ein Albtraum sein. Polleschs Zürcher Abendspaß ist, wenn künstlerisch auch nicht vergeblich, von ihm kaum zu gewinnen. Die Bedeutungs-Frage stellt immer wieder Fallen. Fürs Publikum war er offenbar ein großes Vergnügen. Riesiger Applaus, ja entzückter Jubel.