Schmerzlicher Abschied
Eigentlich ist alles ganz einfach in dieser 2015 in London uraufgeführten Oper Morgen und Abend von Georg Friedrich Haas nach dem Roman des Norwegers Jon Fosse. Fischer Johannes lässt sein Leben an sich vorüberziehen, doch alles kommt ihm unwirklich vor. Kein Wunder, er ist tot, weshalb es ihm auch nicht möglich ist, mit Tochter Signe zu kommunizieren. Da taucht der (ebenfalls verstorbene) Freund Peter auf, der ihm den endgültigen Abschied vom Diesseits und den Übertritt ins Schattenreich erleichtern soll. Vorgeschaltet ist ein Prolog, wo Johannes' Vater Olaf sich wegen der Geburt ängstigt, um Frau Erna besorgt ist und von der Hebamme beruhigt wird. Alles wird gut? Das Knäblein ist wohlauf; doch am Ende wird unter grellem Flirren der Musik (Achtung: Tinnitus-Gefahr) der Tod das ewige Werden und Vergehen vollenden.
Auch das Theater Heidelberg ist wohlauf, obwohl oder gerade weil Haas mit seiner Vorliebe für dunkle Stoffe eine komplexe Musik dazu geschrieben hat, deren repetitive Mechaniken und gleitenden Tonhöhen intensiver Vorbereitung seitens Orchester, Chor und Ensemble bedürfen, um die seelischen Zustände der Figuren in unmittelbare Zwiesprache mit dem Opernbesucher zu bringen. Dass dies in Heidelberg gelingt, ist nicht nur ein Verdienst von GMD Elias Grandy und dem Philharmonischen Orchester, sondern verdankt sich der Inszenierung um Ingo Kerkhof (Regie), Anne Neuser (Bühne) und Inge Medert (Kostüme). Ein quasi natürlicher Erzählfluss entsteht rund um eine einfache Fischerhütte; vor der hofft Vater Olaf auf Zuspruch der unbeteiligt an der Flasche nuckelnden Fischer-Kameraden in seiner schweren Stunde. Winfrid Mikus verkörpert den irritierten, besorgten, werdenden Vater in einer Sprechrolle sehr nahegehend. Die Musik schwillt an, ebbt wieder ab, Illustrierung der Wehen? So einfach, so wirksam dieser „Morgen“, und als akustischer Hintergrund schaltet sich ein wundersam schwebender Chor ein.
Der „Abend“ wird dann zum Abgesang aufs Leben. Bariton Holger Falk verkörpert den Johannes voller Ernst und feiner Deutung seiner existenziellen Not. Tochter Signe wird von Hye-Sung Na als zuwendender Typ gezeigt, ihr Gesang bewegt sich virtuos durch die Mikrointervalle, zudem hatte sie zuvor die Partie der Hebamme auszufüllen. Angus Wood bietet einen stabilen Tenor für Freund Peter an, Katherine Lerner einen effektvollen Alt für die Ehefrau Erna. Großartig agiert der Chor (Ines Kaun, Anna Töller). Die Kurpfalz macht sich um die Haas-Pflege verdient, wurden doch schon bei den Schwetzinger Festspielen in den letzten Jahren drei Haas-Opern uraufgeführt.
Das Schöne an dieser so unaufgeregten Produktion im Theater Heidelberg: Das Werk wird ernst genommen und erfährt deshalb ohne Regie-Mätzchen eine wertige und wertvolle Umsetzung.