Übrigens …

Tod eines Handlungsreisenden im Berlin, Deutsches Theater

Grenzen des Glücks

Jugend verkauft, im Alter bleibt der Erfolg aus. Das ist eine einfache Regel des Kapitalismus, die den Handlungsreisenden Willy Loman besonders hart trifft. Arthur Millers Stück Tod eines Handlungsreisenden über die Härte der Arbeitswelt, die Erkenntnis darüber, wie sehr der Mensch in der modernen Zeit von seinem Status abhängt, wird am Deutschen Theater als intime Hölle inszeniert: eindringlich, verstörend und unterhaltsam.

Da ist Willy Loman, gespielt von Ulrich Matthes, der am Deutschen Theater ein Zerrissener ist, einer, der seine letzten Kräfte zusammennimmt, aber für den es nicht mehr reicht, der einfach nicht mehr mithalten kann in der Mühle aus Reisen, Kundenterminen und dem Zwang zu Abschlüssen. Seiner Familie gaukelt er vor, alles sei in Ordnung, regelmäßig leiht er sich Geld von einem Freund, um die Löcher in seinem Teppich aus Schwindeleien zu stopfen und das Gesicht vor seiner Frau zu wahren, doch die Verletzung im Inneren ist so tief, dass er nur noch den Ausweg „Selbstmord“ sieht: Denn als Toter ist er dank seiner Lebensversicherung mehr wert als lebendig. Matthes gibt diesem doppelten Spiel der inneren Zerrissenheit und äußeren Fassade Raum, er lässt den Loman funkeln als einen, der so fest an äußeren Bildern hängt, dass ihm für sein wirkliches Ich keine Freiheit bleibt.

Miller hat in Tod eines Handlungsreisenden dem amerikanischen Traum seine Grenzen aufgezeigt. Willy Loman, die arme Kreatur, die so sehr einer Illusion hinter her rennt, dass sie den Blick für die Realität völlig verloren hat, steht für mehr als eine individuelle Tragödie ­– Loman steht für die Auswüchse des modernen Kapitalismus, der davon lebt, dass Menschen ihn wollen, obwohl sie unter ihm leiden. Opfer dieser Perversion sind Lomans Söhne. Sie können es dem Vater nicht recht machen, aber sie beten auch nach, was sie vom Vater gelernt haben: Der farblosen Happy – gespielt von Camill Jammal als irrlichternder Großkotz – ist mit 32 Jahren noch Assistent. Er straft seine Chefs ab, die ihm den Aufstieg nach oben verwehren, indem er mit ihren Frauen schläft. Ähnlich wie Willy spricht er von seinen Erfolgen, seinem weiteren Aufstieg – die Realität bleibt außen vor. Und da ist der traurige Biff – gespielt von Benjamin Lillie als tragischer Typ mit Facettenreichtum – der vom Vater eine Idee von seinem Selbst übergestülpt bekommen hat, die sich nicht mit der Realität deckt. Einst erfolgreicher Sportler, fällt er in Mathe durch, hat Aushilfsjobs, die der Vater zu Führungspositionen stilisiert. Biff spürt, dass ihn das In-die-Tasche-Lügen nicht glücklich macht, doch auch ihm fehlen die Auswege aus dem Dilemma. Auch er ist Gefangener, auch wenn er die Gefängnismauern sieht.

Der Tod eines Handlungsreisenden kommt am Deutschen Theater als dichtes Wortgefecht daher. Da sind die starken Dialoge von Miller, der in seinem bekanntesten Stück ein gesellschaftliches Drama am Beispiel des Einzelnen aufzeigt. Regisseur Bastian Kraft setzt auf die Stärken des Textes und das Spiel der Schauspieler; gesetzt ist das Ganze in einem Imaginationsraum aus Schwarzweiß, Licht und Schatten. Intelligent ist es, wie die Schattenwürfe der Schauspieler oft die doppelte Bedeutung der Worte spiegeln, wie sich die Dämonen der eigenen Wünsche hinter den Personen aufbäumen und so zur Bedrohung der Ich-Entwürfe werden.

Wer Theater als gesellschaftskritisches Instrument schätzt, sollte diese Inszenierung nicht verpassen.