Gerangel im Doppelbett
Ziemlich irdisch legt Regisseur Tobias Kratzer seine Götterdämmerung am Staatstheater an, denn kein Flammenring umhüllt den Walkürenfelsen, vielmehr ergibt sich Brünnhilde im schneeweißen Doppelbett dem unzüchtigen Angriff von Gunther/Siegfried. Auch ansonsten holt er das Werk, mit dem das Badische Staatstheater Karlsruhe die Wagner-Tetralogie vollendete, auf den Boden der Tatsachen zurück. Macht er sich ein bisschen lustig über seine Regie-Kollegen David Hermann (Rheingold), Yuval Sharon (Walküre) und Thorleifur Örn Arnarsson (Siegfried), wenn sie – teils als Double - auf Regiestühlen lümmeln und pantomimisch Anweisungen geben, denen die Figuren nur mühsam Folge leisten? Auch das Ende, per Bühnenvorhang schon zu Beginn als „The End“ angekündigt, erscheint wie eine Wagner-Lockerungsübung. Opfertod als Erlösung? Nein, Brünnhilde nimmt auf dem Regiestuhl Platz und lässt alle gemeuchelten Helden wiederauferstehen. Klar doch, sie werden gebraucht für die nächste Aufführung (Karlsruhe zeigt seinen Ring an Ostern und Pfingsten 2018 jeweils komplett), doch die Inszenierung verweist in ihrer teilweise witzigen Erzählstruktur, dass sie mit Mythen-Plunder wenig anfangen kann und will. Zaubertrank ist die Musik.
Kostümiert im Heute auf weitgehend aufgeräumter Bühne (Ausstattung: Rainer Sellmaier) wird ausgezeichnet gesungen. Heidi Melton, schon mit Bayreuth-Meriten geadelt, gibt der Brünnhilde im schlichten Nachtkleid explosives Profil, hochdramatisch in Ausdruck und Linienführung. Sehr gut geglückt auch das Partiedebüt von Daniel Frank: Sein Siegfried ist stabil, ja durchschlagskräftig, doch einige nuancierende Farben darf der ehemalige Rock-Sänger seinem Heldentenor noch beifügen. Jeweils individuell und rollenspezifisch timbriert die tieferen Stimmen von Armin Kolarczyk (Gunther) und Konstantin Gorny (Hagen) sowie Jaco Venter als abgründig-kriechender Alberich in Unterwäsche. Und Gutrune wird von Christina Niessen mit intimerer Sopran-Zuwendung gesungen. Dass Nornen und Rheintöchter sehr gut besetzt sind, versteht sich an einem Haus dieses Anspruchs mit großer Wagner-Pflege von selbst.
Justin Brown, der Generalmusikdirektor, verlässt Ende der Saison Karlsruhe, hat sich gemeinsam mit der immer sehr präsenten Badischen Staatskapelle mit dem Ring selbst ein schönes Präsent gewidmet, auch wenn sein Dirigat in der Götterdämmerung etwas distanzierter wirkte als an den drei vorigen Produktionen. - Premieren-Jubel für die musikalische Umsetzung, einige Buh-Rufe für die Inszenierung. Ein Sonderlob gilt Gaul Grane, der brav am Halfter eine Zeitlang Wagner über sich ergehen ließ, wo er doch eigentlich ein feuriges Ross sein sollte.