Eine Familie im Berliner Ensemble

Der Traum ist aus

Amerika im Heute. Das dient nicht mehr für viele Träume und Sehnsüchte. Weite Landstriche verwahrlosen, Trailerparks sind das zu Hause für viele Familien und die Mär vom sozialen Aufstieg dient allenfalls noch als Stoff für Hollywood-Schmonzetten. Der „amerikanische Traum“, er hat sich ausgeträumt.

Auch auf Theaterbühnen ist diese Botschaft, wenn auch mit etwas Zeitverzögerung, angekommen. Der aus Frankfurt importierte Star-Intendant Oliver Reese, bekannt für volle Häuser und klarem Bekenntnis für nicht unbedingt Innovatives, dafür aber Massenkompatibles lässt nun an seiner neuen Wirkungsstätte das Pulitzerpreis ausgezeichnete Stück „Eine Familie“ von Tracy Letts spielen.

Der Zynismus in diesem Reigen aus Alkohol, Tabletten und Lebenslügen ist dicht gesetzt. Da ist das Familienoberhaupt Beverly Weston, der eine Pflegerin für seine krebskranke Frau Violet besorgt und sich dann aus dem Staub macht. Und die Ist-Analyse beginnt. Die zeigt auf, wie verkommen, haltlos und in sich gebrochen die amerikanische Gesellschaft ist. Entlang der dann entstehenden Familienkonstellationen entspinnt sich eine Erzählung voller Tragik und natürlich auch, wie es sich gehört, einer Portion Komik. Dennoch, die Charaktere bleiben irgendwie oberflächlich ausgestaltet und die Inszenierung schafft es nicht, einen tiefer liegenden Punkt zu treffen.

Was macht die heutige amerikanische Gesellschaft wirklich aus? Ist es nur der Griff zum Glas, die Flucht vor dem eigenen Ich? Diese Mechanismen sind wohl bekannt, vom deutschen Bürgertum bis hin zur Unterschicht.

Also nichts Neues, außer der wohl bekannten Erkenntnis, dass Familien nicht unbedingt der Hort von Glück und gegenseitiger Unterstützung sind – am Berliner Ensemble aber wenigstens attraktiv in Szene gesetzt mit larmoyanter, bandmäßiger Hintergrundbeschallung und Einblendung von endlosen Straßen durchs amerikanische Nirgendwo.

theater:pur fand die schauspielerische Leistung am Berliner Ensemble deshalb originell und irgendwie anders, weil die Figuren mit ihrer Larmoyanz den gedrückten Ton, den individuellen Stillstand, das innere Drehen um sich selbst stimmig verkörpern. Das trägt über drei Stunden, wenn auch mit leichtem Ermüdungseffekt. In ihrer Larmoyanz verbunden und als Familienclan wenig harmonisch: Wolfgang Michael, Corinna Kirchhoff, Constanze Becker, Oliver Kraushaar, Carina Zichner, Bettina Hoppe, Franziska Junge, Josefin Platt, Martin Rentzsch, Sascha Nathan, Katrin Hauptmann, Aljoscha Stadelmann, Till Weinheimer.

 Hingehen, anschauen? Warum also nicht!