Schmetterling im Möbelhaus
Wenn eine 1977 geborene Regisseurin, profiliert mit einigen Auszeichnungen und zeitgeistigen Produktionen im Rücken, nun die relevanten Aufführungen an der neu ausgerichteten Berliner Volksbühne gestaltet, wird genauer hingesehen.
Susanne Kennedy hat aktuell in der Hauptstadt die Collage Woman in Trouble auf die große Bühne gebracht. Tja, was ist das, was soll es sein, was da mit ordentlich gelackter Patina geboten wird? Ein Drama ganz ohne Emotionen, könnte man sagen, oder auch eine Farce auf die Moderne, ein um sich selbst drehendes Etwas, was nicht über sich selbst hinauswächst und den Zuschauer mit dem schalen Gefühl zurücklässt, ein bisschen viel Effekthascherei serviert zu bekommen. Einige Zuschauer verlassen verfrüht die Vorstellung, 150 Minuten Soap-Opera ist manchen zu viel - oder besser gesagt: zu wenig.
Denn Angelina Dreems Leben ist eine Soap. Diese Hauptfigur hat Krebs und wird in der Fernsehshow wegen der Krankheit herausgeschrieben. Klingt irgendwie abgedroschen, ohne genauer sagen zu können, warum. Eine Soap als Folie für den modernen Hedonismus? Als Beweis dafür, dass wir alle nur Marionetten in einer auf Konsum und Eitelkeit programmierten Welt sind? Die Schauspieler jedenfalls staksen durch eine glatt polierte Möbelhauslandschaft wie Barbiepuppen, die Stimmen aus dem Off, die Münder geformt zum Fernsehsprech, das alles auf Englisch, und oben auf dem Laufband gibt’s die zusammengesuchten Zitate, die manchmal witzig, manchmal durchaus verstörend sind, auch auf Deutsch. Im Publikum sitzen Zuschauer aus Belgien oder London - in die Volksbühne zu gehen ist „in“, und insofern wird hier und da pflichtschuldig geschmunzelt.
Die Schauspieler (es wirken mit: Suzan Boogaerdt, Marie Groothof, Niels Kuiters, Julie Solberg, Anna Maria Sturm, Bianca van der Schoot, Thomas Wodianka), oder sollte man lieber Soap-Opera-Statisten sagen, tauschen immer wieder die Rollen und werden dadurch austauschbar.
Die Volksbühne erklärt zum Konzept des Ganzen: „Der Text, den sie (Kennedy) für Woman in Trouble zusammengestellt hat, besteht hauptsächlich aus Zitaten aus Filmen, Serien, Büchern, Internet. Dann hat sie über eine Annonce Menschen eingeladen, diesen Text einzusprechen. Dabei sprechen sie wirklich nur ihren Text, vom Dialog also stets nur einen Teil, sie kennen nicht die Frage, wenn sie eine Antwort geben, und wissen nichts über die Figuren. Die Stimmen, nachträglich nochmals bearbeitet und zusammengebaut, ertönen als Playback. Die Schauspieler*innen setzen sich Masken vor ihre Gesichter und imitieren diese Stimmen, die ihnen und ihren zahlreichen Doppelgänger*innen auf die Bühne folgen, als hätten sie nichts mit ihnen zu tun.“
Aha, ausgeklügelte Sache, mag man meinen, wenn man dies liest, doch wozu der ganze Aufwand? Die Dramaturgie gibt auch hierfür eine ebenso selbstbewusste wie kryptische Antwort: „Die verschiedenen Verstörungsstadien ermöglichen eine umgekehrte Verpuppung, aus der der Schmetterling des Stücks erst entsteht.“
Bleibt nur zu hoffen, dass irgendjemand den armen Flatterer aus der Volksbühne fliegen lässt.