Übrigens …

Mitridate im Rokokotheater Schwetzingen

Noch einmal mit Gefühl

Wird ein Konzept hinter der Inszenierung vermutet, so darf unterstellt werden, dass Nicola Antonio Porpora in seiner Oper Mitridate keine politische Geschichte vom Kampf zwischen dem kleinasiatischen Pontos und Rom erzählen wollte, weil Jacopo Spirei darin keine gefunden hat, so dass dem Besucher im bezaubernden Rokokotheater von Schloss Schwetzingen aktuelle Assoziationen erspart bleiben. Vielmehr konzentriert sich die Produktion auf die ureigene Domäne von Porpora: den Gesang. Denn der Opern-Gegenspieler von Händel in London war ein noch berühmterer Gesangslehrer, und den Mitridate hat er für Farinelli und Senesino geschrieben, die berühmtesten Kastraten ihrer Zeit.

Und da hat Porpora viel zu bieten, denn er kleidet das Übermaß an Gefühlen in ein Übermaß an Koloraturen, Raffinement der Gesangsphrasen und ausdifferenzierte Orchestersprache. Weil sich viel tut im emotionalen Bereich, wenn König Mitridate die Auserwählten seiner Söhne begehrt und mit aller Macht und bösen Finten seine Macho-Gier befriedigen will, dürfen die Protagonisten im hübsch anzuschauenden Bühnenbild mit orientalischen Bezügen so agieren, wie sie es am besten können: singend. In der Titelfigur glänzt der international gefragte Counter David DQ Lee mit stimmlicher Präsenz, während Ray Chanez als Sohn Sifare intimere Counter-Töne anschlägt. Eine hinreißende Entdeckung ist die junge Sopranistin Yasmin Özkan, die schon erste Scala-Erfahrung aufweist, denn so zarter, weicher und nahegehender Schmelz ist selten zu hören. Einziger Minuspunkt dabei: Dirigent Felice Venanzoni und das bemerkenswert gut sich ins barocke Idiom einfühlende Philharmonische Orchester gefallen sich derart in den intensiven Affekten, dass der herrliche Schimmer dieser Stimme deutlich gedeckelt wird.

Mezzo Shahar Lavi in der Hosenrolle des Farnace und die im grünen Kleid beschwingte Katja Stuber als Ismene komplettieren die Hauptfiguren, zu denen noch Intriganten und Höflinge kommen. Mit dieser sehr positiv aufgenommenen Produktion endet eine über sieben Jahre gehende Beschäftigung mit der neapolitanischen Oper. Intendant Holger Schultze und sein Operndirektor Heribert Germeshausen haben mit dieser Fokussierung im Format „Winter in Schwetzingen“ das Heidelberger Theater profiliert. Germeshausen geht jetzt als Opernintendant nach Dortmund, die Heidelberger Opernfreunde nehmen das durchaus mit Bedauern zur Kenntnis. Aber nichts ist ewig, im Theaterleben sowieso nicht.