Sein letztes Abendmahl
Dieser Politiker wird es nicht lange machen. Denn er ist das Gegenteil eines Machers, wenn er kaum registriert, wie sehr er sich im Netz der Intrigen und gesellschaftlichen Herausforderungen verfängt. Da gibt ihm auch sein Schreibtisch inmitten palastartiger Weite kaum Halt, hinter dem er sich verschanzt. Simon Boccanegra, vom Volk gekürter Doge zu Genua, ist zum Scheitern verurteilt, am Giftmord wird er verenden.
Auch die Inszenierung von David Hermann in der opulenten Bühnenausstattung von Christof Hetzer ist zwar nicht gescheitert, zeigt aber insoweit Schwächen, als sie die verworrene Geschichte, die Giuseppe Verdi 1857 komponierte und für die (zweite) Uraufführung 1881 noch einmal gründlich überarbeitete, kaum plausibel erzählen mag. Das liegt vorrangig an den Schwächen des Librettos. Dafür aber geht David Hermann mit großem Anspruch zu Werke, denn er versucht „Verdis Parabel als Gleichnis eines heutigen Politikers zu lesen“. Denn Macht beschädigt den Menschen Zeit übergreifend, auch wenn er - wie Simon Boccanegra - das Gute will und das Verzeihen zum Leitthema seiner Herrschaft kürt.
So wandert die Inszenierung durch die Zeiten, lässt die Titelfigur, deren Scheitern auch im Vermengen von Politischem und Privaten begründet ist, im Straßenanzug von heute im Palast der Renaissance agieren und stellt den religiösen Bezug her, indem das letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci auf der Bühne nachgebaut wird, einschließlich einer bloß gestellten Judas-Figur. Die verschollene Tochter taucht zwischendurch wie eine Marienerscheinung von Lourdes auf, auch sie gerät zwischen die Fronten, wegen ihrer großen Liebe. Diese darf Barbara Dobrzanska mit lyrisch-dramatischen Sopranfarben auskosten, in der Höhe wirkt sie manchmal etwas zu stämmig. In der Titelpartie glänzt der Bariton Seung-Gi Jung durch Gesang und Spiel, sein zwischenzeitlicher Gegenspieler Jacopo Fiesco wird von Konstantin Gorny mit großem Bass intensiv verkörpert. Fehlt noch der Tenor, den Rodrigo Porras Garulo als liebender Gabriele Adorno als attraktive Figur auslebt. Die Chöre sind von Ulrich Wagner prächtig einstudiert, und das musikalische Geschehen dirigiert Johannes Willig mit spannungsvollen Aufschwüngen, welche das Drama musikalisch illustrieren. Der Badischen Staatskapelle sei Dank. Karlsruhe hat Simon Boccanegra als Koproduktion mit Antwerpen/Gent, Luxemburg und Montpellier erarbeitet, gemeinsam will man optimieren.