Liberté im Volksbühne Berlin

Gefummel in Fummeln

Die Erwartungen an Liberté an der Berliner Volksbühne hätten größer nicht sein können: Da inszeniert ein preisgekrönter Regisseur nmens Albert Serra einen selbst verfassten Text, in dem eine Truppe Franzosen kurz vor der Französischen Revolution nach Preußen einfällt, um ihre freiheitlichen sexuellen Vorstellungen zu importieren. Irgendwie originell, mag man meinen, und garniert mit bekannten Namen wie Helmut Berger und Ingrid Caven. Wenn das nichts gibt, ja was dann!

Intendant Chris Dercon, der künstlerisches Konzept und Person gekonnt in der Außendarstellung zu ikonenhaften Blüten treibt, hat sich mit den Umgestaltungsplänen an der Berliner Volksbühne bekanntlich weit aus dem Fenster gelehnt: interaktiv, international, innovativ, hießen die Schlagworte. Es sollte eine „Eventmarke“ und ein „internationales Label“ etabliert werden. Geklappt hat es bislang allerdings nicht. Außer einigen Inszenierungen in englischem Kauderwelsch und einem entspannt-lässig mit Bierflasche im Foyer stehenden Intendanten, nährt höchstens das Hipster-Publikum den Verdacht, man könne sich in der bundesrepublikanischen Hauptstadt und dort wiederum in der Keimzelle überbordender Kreativität und Intellektualität befinden.

Der neueste Geniestreich endet nun als gehöriger Rohrkrepierer in der pittoresken Rokokolandschaft, die Sebastian Vogler mit durchaus Gespür für ästhetische Anmutung auf die Bühne gebracht hat. Das Kritikerbild zu Liberté ist eindeutig und wird wohl kaum mithelfen, die Eventmarke Volksbühne nachhaltig zu etablieren.

Gut, wo fangen wir an? Vielleicht bei Helmut Berger. Einst schönster Mann der Welt und inzwischen bis ins Dschungelcamp gereicht, bekommt an der Volksbühne kaum die Chance, sich als ernst zu nehmender Schauspieler zu rehabilitieren. Wie auch? Schließlich wird ja auch nicht geschauspielert, sondern lediglich der ziemlich profane und uninspirierte Text aufgesagt. Serra selbstbewusst dazu: „Ich mag es, Schauspieler*innen in einen atmosphärischen Grenzbereich zu versetzen; professionelle Schauspieler*innen und Laiendarsteller*innen auf das gleiche Level zu bringen. Mich reizt, sie in ein Niemandsland zu führen, wo ihnen ihre Technik nichts nutzt.“ Aha. Im preußische Niemandsland bleiben jedenfalls von Anfang an die Lichter aus, die Bühne ist kaum zu erkennen, die Schauspieler kaum zu verstehen. Ob das internationale Unterhaltungskunst auf höchsten Niveau ist? Wohl eher kaum. Das Publikum fängt ziemlich schnell an zu pöbeln und einige Zuschauer verlassen die Vorstellung verfrüht.

Die ansehnlichen Fummel (Kostüme: Rosa Tharrats) von Stefano Cassetti, Johanna Dumet, Ann Göbel, Leonie Jenning, Catalin Jugravu, Günther Möbius, Jeanette Spassova, Anne Tismer und Laurean Wagner werden dann und wann hoch geschoben, hier und da wird etwas rumgefummelt und auf den Allerwertesten gehauen. Und für Berger gibt’s kein Koks sondern lediglich Quecksilber und Caven muss zum Schluss ein Liedchen singen.

Was Serra ausdrücken wollte: Dass das Rokoko eigentlicher Hort von Freiheit und sexueller Selbstbestimmung war? Vielleicht. Die verklemmte Dekadenz an der Volksbühne macht jedenfalls wenig Lust auf vergangene Zeiten und wir hoffen auf Besserungen im Sinne der Markenetablierung.