Übrigens …

Ernani im Nationaltheater Mannheim

Fehlgeleiteter Ehrbegriff

Das ist ebenso schön wie eindringlich gemacht. Elvira, die Begehrte, wird für die Hochzeit hergerichtet, doch die überlangen Perlenschnüre entpuppen sich als Ketten, und Elvira wird vereinnahmt. Von drei Männern, vom politischen System, von Konventionen und Etikette, so dass der individuale Anspruch ans Glück auf der Strecke bleibt. Also: ein durchaus zeitloses Phänomen, denn Selbstbestimmung ist ein schwierig' Ding.

Yona Kim hat am Nationaltheater Mannheim die (frühe) Oper Ernani von Giuseppe Verdi inszeniert, und das außerordentlich stimmig, denn der Zusammenklang aus ruhig-intensiver Personenführung, raffiniert-entschlackter Bühne und aufwändig-stilsicherer Kostümierung passt. Zumal Benjamin Reiners gemeinsam mit dem Nationaltheater-Orchester eine zündende Mischung aus Drang und Sensibilität zaubert, in der sich die großen Chöre bestimmend einfinden.

In Spaniens politischer Gemengelage im 16. Jahrhundert siedelt Verdi eine leidenschaftliche Geschichte zwischen Liebe, Verrat und Rache an. Die Titelfigur Ernani will den machtpolitisch generierten Tod des Vaters rächen und wird zum Rebellen. Naturgemäß, schon wegen der Dramaturgie, liebt er Elvira, die wiederum ihrem Onkel Don Ruy Gomez de Silva versprochen ist. Den stellt Sung Ha mit strömendem Bass als stolzen, unnachgiebigen Hidalgo prächtig auf die Bühne, und mit seinem fehlgeleiteten Ehrbegriff wird er Ernani in den Selbstmord treiben. Irakli Kakhidze gibt ihm zweifelnde Züge, singt seinen farbenreichen Tenor voll und sicher aus; am Ende wird er seine Liebe opfern, um den Forderungen des Silva zu genügen, denn gemeinsam hatten sie sich gegen Don Carlo, König von Spanien, verschworen und ihr Leben gegenseitig verpfändet. Dieser Don Carlo ist ein Getriebener: Einerseits machtbewusst, andererseits von Ängsten geplagt, wenn er sich im Aachener Dom vor seiner Kaiserkrönung hinter dem Katafalk seines großen Karl-Vorgängers versteckt, embryonal verkrümmt, und schließlich voller Milde, um seine Macht zu sichern. Der Bariton Evez Abdulla spiegelt diese Zwiespälte im Gesangsausdruck und darstellerisch. Fehlt von den Hauptfiguren noch Elvira, die aus den Verstrickungen nicht wirklich herausfindet, obwohl ihr Herz Ernani gehört. Miriam Clark verkörpert diese Frauenfigur wunderbar, denn ihr geschmeidig geführter Sopran schöpft die wesentlichen Facetten dieser groß angelegten Partie suggestiv und voller Strahlkraft aus.

Was will der Kunde mehr? Das Premierenpublikum war entsprechend beeindruckt von einer im besten Wortsinne seriösen Neuproduktion.