Übrigens …

Chaplin im Theater Osnabrück

Kleiner Tramp und großer Diktator

 Alle Höhen und Tiefen des Lebens hat er durchlebt. Als kleiner Tramp und Großer Diktator erlangte Charlie Chaplin Unsterblichkeit. In seinen Stummfilmen charakterisierte er den naiven Landstreicher pantomimisch voller Poesie und Charme. Als despotischen, makaber überheblichen, machtgeilen „Schreihals" karikierte er Adolf Hitler. Für die Musik von Limelight bekam er seinen dritten Oscar. In ärmlichen Verhältnissen im schäbigen Londoner Künstlermilieu aufgewachsen, geriet Chaplin als junger Mann in die zweifelhafte Glamourwelt von Hollywood. Frauen nahm er sich, „um glücklich zu werden", ließ sie fallen und fand nach vier gescheiterten Ehen seine Lebensgefährtin Oona O'Neill, als er schon glücklicher Besitzer des Filmstudios und Verleihs „United Artists" war.

Das Theater Osnabrück sicherte sich die Deutsche Erstaufführung des amerikanischen Musicals Chaplin, möglicherweise auf Anregung des Instituts für Musik der Hochschule Osnabrück. In vielen kleineren Rollen treten Studierende auf und sammeln Bühnenerfahrung in einem professionellen Ambiente unter besten Bedingungen. Ein guter Griff: immerhin behandelt Chaplin ein zugkräftiges Thema in einer hierzulande noch unbekannten Bühnenshow. Leider jedoch können weder das Musical noch die Osnabrücker Inszenierung (bei allem szenischen Aufwand!) der Kunst des genialen Entertainers das Wasser reichen. Denn der große Name allein und grellbunt schillernde Kostüme reichen nicht aus. Das Osnabrücker Symphonieorchester spielt die fetzige Musik unter der Leitung von Kapellmeister An-Hoon Song (am Klavier) in hohem Tempo und mit ungedämpfter Lautstärke. Mit Microports bestückt singen die Solisten dagegen an. Ohrwürmer sind allerdings nicht auszumachen. Zwar werden Momente aus Filmen mit dem Kleinen Tramp sowie Anfang (Einlass) und Ende (The End) eines Stummfilmstreifens eingeblendet. Aber dokumentarischen Charakter soll das Musical keineswegs haben.

So reihen sich an die dreißig kurze Episoden an einander, um Chaplins Leben mit viel zu vielen entbehrlichen Details kreuzbrav zu erzählen (und zu präsentieren). Wirklich spannende Theatralik erwacht nur kurz zu Beginn des zweiten Teils, als die intrigante Reporterin Hedda Hopper eine Schmutzkampagnie gegen den jüdischen, kommunistischen Star anzettelt. Katharina Morfa ist eine Wucht - eine veritable „Rampensau", die Schwung auf die Bühne zaubert. Mit ihrer herrlich überzogenen Sekretärin (Heike Hollenberg) im Schlepptau singt und spielt sie Solisten, Statisten und Choristen glatt an die Wand. Mark Hammans Chaplin dagegen entbehrt jeden Charismas. Kaum nachvollziehbar, was ein Hollywoodagent an diesem doch eher behäbigen, kanariengelben Männlein mit dem Kugelbäuchlein und dem argen Tremolo auf den Stimmbändern faszinieren könnte. Verena Hierholzer ist sein zierliches, sehr bemühtes alter ego, der Tramp. Sehr viel Glamour und Glitzer haben die Werkstätten verarbeitet. Und schon vor Beginn raucht, stinkt und qualmt es. Fast in jeder Szene wallen weiße Wolken aus Ritzen oder Kulissen. Sinn und Zweck bleiben nebulös. Nicht verschwiegen werden sollte trotzdem nicht: Dem Schlussapplaus nach zu urteilen, hat's den meisten Zuschauern offenbar gefallen.