Übrigens …

Hello, Mister MacGuffin! im Schauspielhaus Zürich

Des Polleschs neue Kleider

Er ist ein Spieler. Ein liebenswerter Kindskopf, dem Verwirrung höchsten Spaß bereitet. Dazu braucht er die Bühne, die Phantastik der fiktiven Welt. Diesmal heißt das Mysterium MacGuffin, dem er ein „Hello“ zuruft. Auf den Brettern der Schiffbau-Box des Zürcher Schauspiels. Man liebt ihn an der Limmat. Wie anders ist es zu erklären, dass Autor und Regisseur René Pollesch nun zum bereits achten Mal in der Zwingli-Hochburg seinen poetisch-sprachwitzigen Blödsinn treiben kann.

Diesmal soll der Pseudo-Schotte MacGuffin dafür sorgen. Und der ist - schon fängt’s an mit Polleschs Verwirrspielchen - sowas wie „der Falke aus dem ,Malteser Falken‘". Also nichts real Fassbares, wie er es der Welt Hitchcocks entnommen haben will: „Ein Gegenstand“, so Pollesch, „der seine Prominenz seiner Bedeutungslosigkeit verdankt“.

Dass auch sein ,Falke‘, eben der von ihm ins Spiel gebrachte MacDuffin, „für die handelnden Personen ziemlich irrelevant“ wird, „würde ich“ - so der Autor und Regisseur vor seiner eigenen Uraufführung weiter - „gerne verhindern“. Warum? Na, weil er natürlich „selbst dieser Macguffin“ ist. Alles klar? Na, denn mal los, möchte man sagen. Was in der Box des Schauspiels denn auch beginnt. Übrigens in einem herrlichen Bühnenbild von Anna Viebrock.

„Weltberühmt“ steht in Riesenlettern darüber. Das gilt wohl auch - Vorsicht! Ironie! - für uns. Denn ehe wir unsere Plätze erreichen, ist der Weg dorthin ein Gang von hinten über die Bühne, an der, versehen mit Schlupflöchern unter der Spielfläche und gefühlten fünf Ein- und Durchgängen, kein Weg vorbeiführt. Noch gar nicht richtig da, sind wir schon mittendrin.

Dann kommen ein Quintett (Hilke Altefrohne, Inga Busch, Sophie Rois, Marie Rosa Tietjen, Jirka Zett) mit Klamotten ins Spiel, als wären die 1950-er Jahre noch lebendig. Und plappern drauflos. Dass sie, anders als wir, durch zerbrochene Fenster einsteigen, scheint Prinzip. Später werden sie immer wieder einmal durch sie rücklings nach draußen fallen, verschwinden, um bald wieder aufzutauchen. „Commander“ nennen sie eine Frau. Und betonen, dass sie „die Welt retten müssen“. Aber wie, wenn „die Leute ein Drama brauchen, die sonst nichts können“? Heiliger Pollesch, das geht ja gut los. Sie spielen Rollen, schlüpfen mal in die, dann eine andere. Fixiert ist keine Person. Und immer wieder die Frage nach MacGuffin.

„Es war ganz toll, aber ich habe nichts verstanden“, gibt eine der Akteurinnen von sich. Dem Publikum ging's ähnlich. Doch was natürlich einverständliches Gelächter hervorruft, ist freilich doppelsinnig. Es bezieht sich auf das entstehende Stück mit dem Titel „Schauspieler retten die Welt“. Aber auch auf den Lärm von Flugzeugen, Zügen und das Schreibmaschinengewitter, der sich lautstark über die Texte hermacht.

Auf der dreieckigen Bühne wird geflachst und geblödelt. Der ungleiche Kampf mit einem immer wieder wegflutschenden Stück Seife ironisiert wohl Hitchcocks „Psycho“, einer Schaufensterpuppe die passende Perücke aufzusetzen, endet im Bodenkampf, und das hinterrücks Durchs-Fenster-Stürzen der Personen zum Running Gag. Und wenn Pollesch sich selbst und die ganze Theater-Mischpoke veräppelt, ist das ebenso gnadenlos wie liebevoll. Da wird etwa Fingerschnipsen des Regisseurs zum Zeichen, einen Einfall zu haben. Bis zum Abpfiff.

Hinter all dem steht freilich, wenn auch zu selten spür- oder gar erkennbar, die Sehnsucht Altbekanntes aufzubrechen, aus dem Augeblick heraus Neues entstehen zu lassen und dem vorgegebenen Trott zu entfliehen. Wenn der Meister dabei nur nicht allzu oft an des Kaisers Neue Kleider erinnerte. Bleibt gleichwohl die Bewunderung, dafür den Mut aufzubringen. Zürichs Uraufführungs-Publikum jubelte Kaiser Pollesch jedenfalls begeistert zu.