Übrigens …

Die Krönung der Poppea im Nationaltheater Mannheim

Groteske Bilderflut

Es könnte ein kruder Mix sein, wenn Lorenzo Fioroni in der Mannheimer Neuproduktiom von Claudio Monteverdis Oper Die Krönung der Poppea den antiken Stoff um den Egomanen Nero mit barocken Bildern garniert und den Zitatenschatz bis ins Heute ausbreitet. Allerdings macht er das im Verein mit dem Barockspezialisten Jörg Halubek am Pult so spannend, dass knapp vier Stunden wirklich nicht lang werden. Denn die Produktion zeigt zeitlose Abgründe menschlicher Obsessionen, die sich auf mannigfache Weise manifestieren. Da passt es dann, wenn dunkle Jesuiten bedrohlich durch die Bühne geistern, oder der wegen Aufmüpfigkeit gemeuchelte Seneca ausgeweidet wird - Rembrandts Bild von der Anatomiestunde des Dr. Tulp als Assoziation.

Monteverdi lebte in Venedig und dort gibt es gerne Überschwemmung. Also dürfen und müssen die Protagonisten durchs bühnenweite Wasser waten, bis zum bitteren Ende, wenn Nero seine Kurtisane endlich legalisiert hat und das Volk, mit niederländischen Halskrausen kostümiert, die Beiden kräftig verspottet. Denn irgendwie steht das kaiserliche Paar wie im Märchen ohne Kleider da, fühlt sich aber stark genug, den kleinen Amor zu erwürgen. Lange zuvor duften sie ihr Liebesnest in einer Gondel aufschlagen, die auch als Walstatt für einige Tote dient. Später werden Domestiken einen maroden Palast über das Wasser ziehen - es wird in Mannheim ein ungeheurer Aufwand betrieben, der einen überwältigt, auch mit Maskierungen bis hin zur Skurrilität.

Jörg Halubek, der mit seinem Spezialensemble „il Gusto Barocco“ auf historischen Instrumenten schon Monteverdis Rückkehr des Odysseus so trefflich angerichtet hatte, liefert wieder eine hervorragende Musik ab, voller Affekte, mit perfekter Sängerführung und rezitativischer Stringenz. Das Notenbündel, vom Spezialisten Alexander Gergelyfi farbig instrumentiert, wird erweitert durch einige Nummern barocker Zeitgenossen. Monteverdi wird’s nicht stören, denn damals waren solche Kniffe üblich.

Unter der Vielzahl der Figuren fallen natürlich Nikola Hillebrand als Poppea und Magnus Staveland als Nero besonders auf: ein böses Paar, das buchstäblich über Leichen geht und sängerisch perfekt zusammenpasst. Anrührend Marie-Belle Sandis als betrogene Ehefrau Ottavia, groß in seiner Intensität Bartosz Urbanowicz als Seneca, der sein Bestes gibt als Lehrer eines unbelehrbaren Nero. Doch der fühlt sich Gott ähnlich. Geschmeidig der Counter Terry Wey als Ottone, der Poppea liebte. Pech gehabt. Und ein großartiges Ensemble einschließlich Chor, die einen darstellerischen und sängerischen Kraftakt ohne sicht- und hörbare Mühe bewältigen.

Das Premierenpublikum hatte nichts auszusetzen, im Gegenteil.