Ich und Meryl Streep
Das Theaterkarussell in Berlin dreht sich momentan mächtig. Jeder darf mal und gerne woanders. Nach der Castorf-Ruhestands-Ablösung durch Welterklärer Chris Dercon und dessen schnellem Rauswurf an der Berliner Volksbühne darf Theaterurgestein René Pollesch nun am Deutschen Theater Textstücke zusammenstellen, ab und zu die Copy-Paste-Taste benutzen und selbstredend auch gleich noch Regie führen.
Waren seine letzten Würfe an der Volksbühne eher larmoyante Abgesänge auf die Popkultur, so versucht er sich nun in Cry Baby mit einem etwas heitererem und selbstironischem Tonfall. Die kurzweilige Inszenierung gefällt dem Berliner Publikum, das durch Flüchtlingsdramen und vielfältige sozialkritische Themenblöcke offenbar nach dem einen oder anderen Lacher hungert. Heiterkeit und Szenenapplaus gibt’s reichlich, wenn die Schauspielergemeinschaft - die Mädels sind in bunte Seidenschlafanzüge gehüllt und hopsen zu dem einen oder anderem Schlager vor der ansehnlichen Trompe-l’œil-Landschaft herum - sich die bissigen Dialoge zuwirft.
Zunächst wird die Heiterkeit allerding etwas durch Schreihals Sophie Rois gestört. Die sicherlich charismatische Darstellerin übertreibt es zu Beginn etwas mit der Untermalung ihrer Einsätze, doch im Laufe der Collage findet zusammen, was zusammengehört: Christine Groß, Judith Hofmann, Bernd Moss und eben Sophie Rois reflektieren über das Theaterwesen („Sie können nicht mal König Lear von Fips dem Affen unterscheiden!“), über menschliche Eitelkeiten und das Leben an sich. Pollesch kombiniert Buñuel und Kleists Friedrich von Homburg zu einem funkelnden Mix, und den einen oder anderen Gag mag nur der verstehen, der schon länger Fan der bundesrepublikanischen Kreativ- und Kulturszene ist.
Diva Rois kokettiert mit einem Vergleich zu Meryl Streep und die Zuschauer freuen sich, Cry Baby und nicht Brücken am Fluss vorgesetzt bekommen zu haben.
Viel Applaus für Polleschs erste Inszenierung am Deutschen Theater.