Maria Stuart im Staatstheater Mainz

Medial verschränkt

Kein Zweifel, die Eröffnungsproduktion der neuen Spielzeit am Staatstheater Mainz weist in Richtung der Synthese von Theater und Film. Das mediale Wagnis überwiegt an diesem Abend das der Deutung des Trauerspiels bei weitem.

Denn Regisseur Dariusch Yazdkhasti inszeniert handwerklich tadellos, aber allzu brav am Stücktext entlang. Innerhalb solcher Engführung umreißt er mitunter durch Einbeziehung opernhafter Tableaus die Figuren präzise kontrastierend, indem bei Elisabeth das Frontal-Statuarische überwiegt, während die Titelfigur dazu neigt, aus der Haut zu fahren. Die Stuart unterliegt ihrer Rivalin eben nicht zuletzt, weil sie sich weder auf die in der Politik notwendige Sublimation der Affekte noch auf Diplomatie versteht. Leicester hingegen beweist als personifizierte Ambivalenz eine solche Virtuosität in beiden Disziplinen, dass die eigene Brillanz sich gegen ihn wendet und er sich nur unter Opferung der Schottenkönigin und Flucht aus der Affäre ziehen kann. Indessen treibt ihn im Gegensatz zu Elisabeth weniger der Wille zur Macht an als maßloser Ehrgeiz.

Ebenso faszinierend wie bedenklich räumt die Regie den Livevideos von Konrad Kästner wenn schon nicht den Primat, so doch privilegierten Rang ein. Die Schwarz-Weiß-Großaufnahmen der Gesichter einzelner Darsteller oder Darstellerpaare, die ein Höchstmaß mimischer Kontrolle erfordern und meist auch realisieren, verdanken sich zudem exzellenter Kameraführung. Doch dehnen sich die Videopassagen so weit aus, dass die mediale Ungewissheit wächst. Nicht nur einmal droht die Vorstellung in einen Kinoabend, in dem ein Echtzeitfilm vorgeführt wird, umzukippen.

Anna Bergemann baut eine metallisch grau in grau abstrahierende Bühne aus zentralperspektivisch gestaffelten Rahmen, die für intimere Szenen durch ebenfalls graue Gardinen abgeteilt oder geschlossen werden.

Die Kostüme von Josephin Thomas historisieren maßvoll. Elisabeth trägt rote Perücke und Zeitkostüm. Auch die Herren kommen elisabethanisch gewandet daher. Marias und Kennedys Roben nähern sich eher heutigen Abendkleidern an.

Wenig königlich agiert Anika Baumann in der Titelrolle. In den beständig scheiternden Versuchen der Selbstbemeisterung ihrer Affekte löst sich ein der Situation unangemessener Alltagston mit bloßem Geschrei ab. Hannah von Peinens Elisabeth navigiert unter dem Diktat der Staatsraison virtuos simulierend und dissimulierend zwischen Skylla und Charybdis politischer Parteiungen. Nonchalant, glänzend, gewissenlos und selbstverliebt schlägt sich der Leicester von Henner Momann auf die jeweils seinen Absichten dienliche Seite. Wenn er final die Stuart opfert und sich aus dem Staub macht, zeigt sich seine brutale Pranke nicht anders als der unbedingte Überlebenswille. Julian von Hansemann gibt Mortimer als Schwarmgeist, der im Rahmen seiner Exaltationen zu durchaus zielführendem Handeln in der Lage ist. Sebastian Brandes als Burleigh, Denis Larisch als Paulet sowie Andrea Quirbach als Kennedy liefern versierte Rollenportraits.

In der besuchten Vorstellung zeigt sich das offenbar mehrheitlich studentische und jungakademische Publikum im sehr gut verkauften Haus äußerst angetan von dieser gehaltlich konventionellen, doch medial bemerkenswerten Verquickung aus Theater und Echtzeitfilm.