Übrigens …

Frankenstein im Schauspiel Zürich

Ein Monster wird zum Menschen

Es war der Sommer, der keiner war. Der von 1816, in dem die Folgen des katastrophalen Ausbruchs des Tambora-Vulkans die Welt verdunkelten. Ihm haben wir die Entstehung des ersten Science-Fiction-Romans zu verdanken: Am Genfersee lässt die erst 19-jährige Britin Mary Shelley Dr. Frankenstein das Licht der Welt erblicken, der einen künstlichen Menschen erschafft. Das ist zugleich der Beginn der Frage nach künstlicher Intelligenz. Shelleys Roman ist aber auch eine Warnung vor einer entgrenzten Vernunft.

Was Wunder, dass sich das Theater Shelleys Erstgeburt annimmt. Am Zürcher Schauspielhaus brachten Autor Dietmar Dath und Regisseur Stefan Pucher jetzt eine Bühnenfassung des Romans als Uraufführung auf die Bühne. Richtiger: eine „von Mary Shelley inspirierte“ Fassung, in der so manches zur Britin auf Kollisionskurs geht. Denn bei Dath ist das „Geschöpf“ kein „Monster“, aus vielen Leichenteilen zusammengeflickt, sondern aus vielen Persönlichkeiten in einem unversehrten Körper zusammengefügt.

Puchers Inszenierung beginnt mit einem bildkräftig-filmischen Paukenschlag. Riesige künstliche, gleichwohl menschliche Wesen, nackt und bloß, schieben sich ins Bild und auf uns zu, ehe Frankenstein auftaucht. Mit grünen OP-Gummihandschuhen und, bei aller Hektik, „so müde“ - von der „Hässlichkeit“ seines Geschöpfs angefressen. Dann schweben menschliche Puppen über einer alpinen Bergwelt. Schließlich spitzt sich das Stück auf die Frage zu, „was richtig ist, was falsch“. Ich „will es wissen“, fordert Frankensteins Geschöpf den Herrn Doktor auf: „Bring deine Schöpfung zu Ende“. Dabei bewegen sich die beiden auf einer schwankender Brücke. Bild für den Kampf zwischen Schöpfer und seinem Produkt. Es ist gleichsam ein dramaturgisches Bild für die Menschwerdung des Kunstwesens, das sich seiner selbst bewusst werden will. 

Puchers Uraufführungs-Regie und Chris Kondeks Video-Einsprengsel sind nicht immer in der Lage, die oft äußerst komplizierten Gehirnwindungen des Autors nachzuvollziehen. Bildkräftig und dramatisch packend, zeitweise zudem äußerst poetisch, ist die Inszenierung allemal - und findet freundlichen Beifall beim Zürcher Publikum.