Individualität in schrillen Farben
Warum schminken sich Männer und setzen sich Perücken auf? Na klar doch, weil sie dann besser aussehen, so als Frau halt. Wer aktuell das Deutsche Theater besucht und sich Ugly Duckling reinzieht, wird mit allerlei Glitter, Quasten und falschen Wimpern beglückt, und, nix für ungut liebes Deutsches Theater, das Ganze kommt doch arg behäbig daher.
Das Haus, das sonst auf erstklassige Inszenierungen ausgewählter Star-Regisseurinnen und Regisseure setzt und parallel mit ausgefallenen kleineren Produktionen verschiedener inhaltlicher Schwerpunktsetzung mit Zeitgeist-Gespür überzeugt, greift mit Ugly Duckling nun in die Mottenkiste.
„Berliner Travestie-Stars treffen auf Schauspieler*innen des Deutschen Theaters. Gemeinsam tauchen sie ein in die Tiefen der Märchen von Hans Christian Andersen. Die kleine Meerjungfrau verwandelt sich in einen Menschen, das hässliche Entlein in einen stolzen Schwan.“ Bastian Kraft schafft hiermit ein durchaus ansehnliches Durcheinander aus hübschen Kostümen, selbstbewusster Selbstdarstellung und attraktivem Gesang, doch so recht mag der Funken nicht überspringen, denn im liberalen Berlin ist das Zurschaustellen ostentativer Individualität halt nichts wirklich Außergewöhnliches.
Die unterdrückte Homosexualität Hans Christian Andersens mag Inspirator für den Autor gewesen sein, sich mit der Psychologie eines „hässlichen Entleins“ auseinanderzusetzen. 1805 geboren, können da sicherlich Übertragungen in die Phantasiewelt nötig gewesen sein, um eine Ich-Konstruktion in einer noch sexuell unbefreiten Gesellschaft greifbar zu machen.
Nun gut, nun also Andersen im Jahr 2019. Jade Pearl Baker, Judy LaDivina und Gérôme Castell sind dem einen oder anderen aus der Szene bekannt. Jade Pearl Baker überzeugt mit ihrer gedämpften Stimme, Judy LaDivina dreht ordentlich auf und Gérôme Castell wird von Kraft selbstironisch in Szene gesetzt. Dazu gesellen sich Helmut Mooshammer, Caner Sunar und Regine Zimmermann aus dem Ensemble des Deutschen Theaters.
Am Ende wird die Kritikerin auf der Premierenparty vom Queer-Szenemagazin „Siegessäule“ abgelichtet. Aber ihre Chancen, bei der nächsten Bastian-Kraft-Inszenierung mitzuwirken sind gering, denn sie kann nicht singen, obwohl sie nicht mal einen Penis hat.
Da hilft allenfalls ein sterbender Schwan weiter.