Kommt ein Jude in eine Bar
Ja, die Sache mit dem jüdischen Witz. Einige Juden haben damit schon effektiv Geld verdient, etwa tolle Typen wie Jerry Seinfeld (amerikanischer Sitcom-Aktivist) oder Maxim Biller (mittelmäßig begabter Berliner Autor). Für Protestanten oder Katholiken, die halt nicht jeden Insider rund um koschere Mahlzeiten und Beschneidungsrituale aus dem Effeff draufhaben, ist es manchmal nicht ganz so nachvollziehbar, über was da nun genau gelacht wird, aber Haken hinter. Lachen sei schließlich jeder Religion gegönnt.
Nun also hat Autor David Grossman eine Art One-Man-Show für das jüdische Sein an sich und überhaupt konzipiert, das der bekannte Schauspieler Samuel Finzi in zweieinhalb Stunden auf die Bretter bringt: Kommt ein Pferd in eine Bar heißt das Stück; Grossman gilt als einer der „bedeutendsten Schriftsteller der israelischen Gegenwartsliteratur“.
Nun also jüdischer Witz (Kommt ein Pferd in eine Bar ist eigentlich ein Roman und wurde dann erfolgreich fürs Theater zugeschnitten) meets Theaterbühne. Und irgendwie sorry, werte Gegenwartsliteratur, aber das Spektakel ist schon ein wenig nervig. Wieso? Als geneigter Zuschauer spürt man, wie Finzi in seiner Rolle, in der er ein sexy weißes Hemd tragen darf, das er dann und wann in seinen emotionalen Wogen aufknöpft und den Blick auf sein Kuschelbär-Bäuchlein frei gibt, aufgeht. Hier bin ich Mensch, hier bin ich Jude, hier bin ich Finzi, denn jeder, der den bekannten Schauspieler schon öfter bewundern durfte, kennt sein Talent, sich in seinen Rollen mit seiner Persönlichkeit voll und ganz einzubringen. Die Figur Dov Grinstein ist „Stand-Up-Comedian, Krakeeler, Alleinunterhalter und Publikumshure“ und Finzi damit perfekt auf den Body geschrieben. Finzi jammert, er spottet, er beleidigt, er ulkt, er hat alle emotionalen Facetten drauf, die man sich so ausdenken kann. Ein tragisch komischer Typ ist das also, eine suchende Seele, die sich an der eigenen Religion auf mühsame Art und Weise abzuarbeiten scheint.
Gut, Zynismus und Sarkasmus sind letztlich auch nur menschliche Schutzmechanismen um mit dem Übel der Welt und persönlichen Verletzungen klar zu kommen. Und hinter so manchem Stand-Up-Comedian lauert dann doch eine große persönliche Tragödie, wir denken etwa an Oliver Pocher und seine Zeugen-Jehovas-Herkunft.
Die Grundsatzfrage bleibt, ob man dann über die Aufarbeitung der Shoa (Grinstein ist Sohn hilfloser, verstörter Shoa-Überlebender) dann lachen darf, um das Grauen zu verarbeiten?
Auch nach Kommt ein Pferd in die Bar weiß man es nicht und hofft, Finzi bald wieder in einer Rolle ohne aufgeknöpftes Hemd sehen zu dürfen.