Übrigens …

Madama Butterfly im Opéra Royal de Wallonie-Liège

Auf Kollisionskurs

Zur Saisoneröffnung wartet Hausherr und Regisseur Mazzonis di Pralafera mit einer Madama Butterfly auf, die Klischees von Japan und den USA zugleich hemmungslos bedient und im Grundsätzlichen hinterfragt. Beide Hauptfiguren der Oper scheitern an trügerischen Vorstellungen von der jeweils fremden Kultur. So nimmt Pinkerton Japan als putzig-amüsanten Themenpark mit trippelnden Geishas, unernsten Riten und Bräuchen im Verein mit sexueller Freizügigkeit wahr. Cio-Cio-San andererseits erliegt Wunschvorstellungen vom Amerikanischen Traum, die Mazzonis di Pralafera detailliert herausarbeitet. Eine scheinbar banale Aussage, wie die, nach der Hochzeitszeremonie endlich den schweren Kimono ablegen zu dürfen, deutet Mazzonis di Pralafera bereits in Richtung Verabschiedung der japanischen Kultur. Je länger sie auf die Rückkehr Pinkertons warten muss, desto entschiedener amerikanisiert sich die Titelfigur, deren ganze Körperhaltung vom Sitzen, über das Stehen bis zum Laufen vom zeremoniös Japanischen ins gelockert Amerikanische wechselt. Desto fürchterlicher der finale Schock. Cio-Cio-San nimmt ihr Kind mit in den Tod.

Für die Königlich Wallonische Oper stellt Jean-Guy Lecat zunächst ein bis in die letzte Einzelheit durchbuchstabiertes Japan auf die Bühne, wie es in den Butterfly-Produktionen der Uraufführungszeit begegnete. Konträr dazu zeigen sich die beiden Folgeakte in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts verlegt. Die Titelfigur haust offenbar nun in einem aufgelassenen militärischen Funktionsgebäude, in dem sie sich zeittypischen Wohnzimmermöbeln aus dem bescheidenen Preissegment wohnlich einzurichten versucht hat. Der Buddha im Garten wäre bloße Dekoration, wenn nicht Suzuki davor noch beten würde.

Farblich nicht unbedingt ausgewogen, warten die Kostüme von Fernand Ruiz im ersten Akt mit einer bunten Ansammlung von Kimonos und Sonnenschirmen auf. In den Folgeakten mutiert die Geisha zum grauen Mäuschen wie aus der tiefsten US-amerikanischen Provinz, das vom Glamour der als Grace-Kelly-Kopie auftretenden Kate Pinkerton schier ausgestochen wird.

Was an dieser Produktion stört, ist die nahezu ungebrochene Musealität des ersten Aktes, die lange glauben lässt, hier sei Opas Oper aus dem Depot geholt worden. Die Wirkung des die Szene aus dem verstaubt-japanischen Märchenland in die fünfziger Jahre katapultierenden coup de théâtre in den Folgeakten verpufft des übermäßigen Umschwungs halber. Der Hubschrauber, mit dem das Ehepaar Pinkerton auf Cio-Cio-Sans Behausung landet, macht da allenfalls bizarren Effekt.

Musikalisch gibt sich die Produktion denkbar unsentimental. Den Liègoiser Opernchor hält Pierre Iodice zu vokaler Schlankheit an. Der Summchor gar lässt sich wie ausgedünnt vernehmen.

Erbarmungslos und entschlossen präpariert Speranza Scappucci mit dem Orchester der Opéra Royal de Wallonie die Schärfe, Schroffheit und Sperrigkeit in den Verismoanteilen der Partitur heraus.

Svetlana Aksenova bietet für die Titelfigur eminente vokale wie darstellerische Intelligenz auf. Den ersten Akt adelt Aksenova zudem durch berückende Tongebung und Phrasierung. Für Pinkerton hält Alexey Dolgov seine angenehme leicht viril-herbe Mittellage bereit. Der Sharpless von Mario Cassi beeindruckt durch perfekte Atemtechnik. Dennoch bleibt Cassi vokal ebenso unspezifisch wie als Darsteller. Sabina Willeit ist eine verlässliche Suzuki. Saverio Fiore verleiht Goro über das Charakterfach hinausweisende tenorale Kraft und Ausstrahlung.

Die Produktion wird vom Puccini Festival in Torre del Lago übernommen.