Selbstlose Liebe
Wer kennt schon Georg Caspar Schürmann (1673 bis 1751)? Es war höchste Zeit, sein Werk zu entdecken, denn seine Oper Die getreue Alceste bietet wunderschöne Musik. Vielfältig, sauber konturiert, voll emotionaler Affekte und mit bezaubernden Arien durchsetzt. Beim „Winter in Schwetzingen“, dem jährlichen Barock-Festivals des Theaters Heidelberg, wurde das wundersame Stück reanimiert, das 1719 in Braunschweig uraufgeführt worden war und dort immensen Erfolg hatte, auch nach Hamburg exportiert wurde.
Wie seinerzeit üblich, bedient sich das Libretto der griechischen Mythologie. Alceste liebt und wird heftig geliebt, denn sie ist so schön wie ihre Interpretin Sophie Junker, deren Ausstrahlung und nuancierter, ebenso intimer wie attraktiver Sopran-Gesang den hinreißenden Abend krönt. Am Vorabend ihrer Hochzeit mit Admetus (überzeugend der englische Counter Rupert Enticknap) wird sie vom eifersüchtigen Licomedes (Stefan Sbonnik) entführt. Ein Unwetter, von einer prächtigen Windmaschine aus dem Orchestergraben illustriert, verhindert die Verfolgung. Auf einer Insel oder Grotte widersteht Alceste allen Verführungskünsten; endlich trifft die Hochzeitsgesellschaft ein und ihr Admetes meuchelt den Verführer, wird aber selbst tödlich verwundet. Was tun? Alceste opfert sich, Admetes ist unter den Lebenden, aber Alceste tot. Sie muss noch durch die Unterwelt, ehe Hercules (Ipca Ramanovi?), zwar auch verliebt, aber edelmütig, Alceste von dort zurückholt. Nach einigen Wirrungen entschwinden die endlich zusammengefügten Paare, denn auch Cephise (Emmanuelle de Negri) und Hyppolite (Hosenrolle für Elisabeth Breuer) wollen ihren Anteil am Glück, in die ferne Dämmerung hinein, und das Publikum ist fasziniert.
Da gelingt nämlich dem Komponisten ein so meisterhafter Schluss, dass man weinen möchte, denn Schürmann lässt die Musik zauberisch verwehen. Auch hier bewährt sich die historisch informierte Spielkunst der Heidelberger Philharmoniker, die von Christina Pluhar am Pult zu außerordentlicher Präsenz herausgefordert werden.
Szenisch setzen Regisseur Jan Eßinger und Benita Roth das Stück charmant um. Anfangs, im hellen, lichten Seebad, tändeln die Figuren wie in unbeschwerter Sommerfrische, doch man spürt die Eifersüchteleien, welche die Idylle unterminieren. Düster dann die Umgebung am Entführungsort, später lugt noch der Nachen des Fährmanns Charon aus dem Bühnenvorhang, ehe sich alles zum Guten wendet. Was von der umjubelten Premiere bleibt? Die Begegnung mit einer tollen Musik, die nicht in den barocken Mustern und Klischees verharrt, sowie eine adäquaten Inszenierung.