Übrigens …

In My Room im Gorki-Theater Berlin

Feeling für die aktuelle Psyche

Kompliment an das Gorki-Theater. In my room ist eine intelligente Behandlung von psychologischen Zusammenhängen, Vater-Sohn-Konflikten und Paar-Beziehungen im Heute. Dem bekannten Theatermann Falk Richter ist mit der aktuellen Inszenierung eine wirkliche Überraschung gelungen: prägnant, witzig, teilweise böse, unterhaltsam und temporeich.

„Mein Vater. Was hat er an mich weitergegeben? Waren wir Freunde? Waren wir Feinde?“ Mann-Sein im Heute ist sicherlich komplexer als noch zu Großmutters Zeiten, oder nicht? Die Flexibilisierung der Lebensstile hat dazu beigetragen, dass „Mann“ heute auch „Mannsein“ darf, wenn er mit einem anderen Mann zusammenlebt. Schwul-Sein ist heute keine Straftat mehr und dennoch sicherlich ein Punkt, der jungen Männern das eine oder andere graue Haar wachsen lässt, wenn sie ihr Coming-Out bei Papa vorbereiten.

Auf dem witzigen Poster der Produktion ist denn auch irgendwie klischeehaft aber dafür umso selbstbewusster einer der Hauptdarsteller zu sehen: Der Lippenstift ist keck verschmiert unterm Bärtchen, das Shirt nach oben gerutscht, so dass der Blick freigegeben wird auf einen trainierten Body.

Richter, der für Text und Regie zuständig ist, schafft es, die Schauspieler (facettenreicher Männlichkeitsterror in allen Farbabstufungen: Emre Aksizoglu, Knut Berger, Benny Claessens, Jonas Dassler, Taner Sahintürk) zu einer absolut natürlichen Leistung zu bringen, da fließen der Text und die Gedanken zum Sohn-Sein.

Im Mittelpunkt des Geschehens ein homosexuelles Pärchen. „Ist die Krise der Gegenwart eine Krise der Männlichkeit? Die Zeit ist reif für neue Entwürfe. Doch obwohl alles in Bewegung ist, kündigt sich ein konservativer gesellschaftlicher Rollback an. Der Mann* scheint in den alten Mustern festzustecken, ein Gefangener im System der männlichen Vorherrschaft. Was bedeutet es, im Jahr 2020 ein Mann* zu sein?“ Schreibt das Theater zu der Inszenierung. Und wer es noch etwas intellektueller mag, kann auf der Rückseite des Plakates einen längeren Textauszug von Didier Eribon „Betrachtungen zur Schwulenfrage“ lesen.

Theater:pur macht den Faktenchek: Das homosexuelle Pärchen hat in etwa dieselben Konflikte wie Mami und Papi sie auch hatten. Der eine hat Stress auf der Arbeit, der andere beklagt sich über die Flaute im Bett.

Was also nun?

Mann sein? Schwul sein? Hetero sein?

Am besten ins Gorki Theater gehen und sich eine Runde unterhalten lassen.