Unverbrüchliche Liebe
Wie so oft in der barocken Opernwelt kommt zusammen, was zusammengehört, in diesem Fall ein eher melancholischer Held namens Tolomeo, und eine in unzerstörbarer Liebe entflammte Seleuce, eine holde Jungfrau voller Liebreiz. Georg Friedrich Händel hat das Werk verfasst und es kommt auf den ersten Blick eher unspektakulär daher, zumal dann, wenn es Benjamin Lazar bei den Händelfestspielen am Badischen Staatstheater Karlsruhe inszeniert. Händel kommt mit fünf Protagonisten aus, kein Chor kommentiert, und auf die üblichen Abgänge der Figuren, die dann auf der entgegengesetzten Seite wieder auftauchen könnten, wird weitgehend verzichtet. Sie sind immer präsent, auch wenn sie sich - laut Libretto - auf einsamer Insel lange nicht erkennen.
Die Regie verlegt die Szene in eine halbovale Hotel-Lobby, von der aus das Meer sichtbar wird. Mal ruhig, mal voller Bedrohung im heftigen Wellenschlag - Yann Chapotel hat die Idee über eine großartige Video-Arbeit illustriert. Doch Tolomeo, Seleuce, Elisa, Alessandro und Araspe, der Bösewicht vom Dienst und Herrscher auf Zypern, scheinen davon unbeeindruckt, denn sie konzentrieren sich ganz auf sich selbst. Auf ihr Herzeleid, ihre Sehnsüchte, Verlustängste und Machtansprüche, den König von Ägypten, das ist doch was. Das Schicksal hat sie auf Zypern zusammengewürfelt, sie wissen kaum voneinander, müssen mühsam erkennen, wer sie überhaupt sind. Eher Traumland als Realität, Benjamin Lazar hat solche Spiegelung trefflich und unaufgeregt imaginiert.
Da kann sich das Publikum auf die wunderschön aufgestellte Musik einlassen, die dank der Deutschen Händel-Solisten unter Federico Maria Sardelli Seelenzustände und Emotionen verdeutlicht durch ausdifferenziertes Musizieren. Gesungen wird betörend schön. Tolomeo wird vom polnischen Senkrechtstarter Jakub Jòzef Orlinski ausgekostet. Sein Counter ist geschmeidig geführt, hat Farben, Facetten und nie nachlassende Präsenz. Dennoch - die über die Jahre zu Platzhirschen der Händel-Festspiele gereiften Herren Fagioli und Cencic hat er in der Gunst der Hörer (noch) nicht ausgestochen. Jugendliche Frische, Schönheit und Strahlen vereint der Sopran von Louise Kemeny als Seleuce. Elèonore Pancrazi (Elisa) überzeugt durch glanzvolle Koloraturen für ihre (selbst)zerstörerischen Eifersuchtsszenen. Meili Li setzt seinen Altus mit eher gedecktem Timbre ein, das passt für diesen Alessandro, die das Gute will und letztlich auch erreicht. Prächtig der Bariton von Morgan Pearse als rasender Araspe in seinen Wutausbrüchen, dauert es doch immerhin gut drei Stunden, bis er sich in sein Schicksal fügt: Seleuce und Tolomeo gehören zusammen.
Eine ausgezeichnete Produktion; wer sie in dieser Saison versäumt, der kann sich nächstes Jahr bei der Wiederaufnahme an ihr erfreuen.