Was ein Federvieh alles anrichtet
Vor Jahrzehnten war Bielefeld das Mekka der Ausgrabungen, als Intendant Heiner Bruns und sein Spartenleiter John Dew die Opernwelt aufhorchen ließen. Aber alles hatten sie damals doch nicht entdeckt, für neugierige Häuser und Dramaturgen ließen sie noch einiges übrig. Jetzt wurde das Theater der Stadt Heidelberg fündig und buchte mit der Wiederaufführung der „komischen“ Oper Die heilige Ente von Hans Gál 96 Jahre nach der Uraufführung und 86 Jahre nach ihrer Verbannung aus dem Repertoire einen mittleren Sensationserfolg. Denn das „Spiel mit Göttern und Menschen“ wartet mit einer schlagkräftigen Musik auf und einem bunten Reigen der Figuren, die - sogar - richtig schön singen durften.
Hans Gál (1890 bis 1987) hielt sich nach Kriegsdienst ab 1918 als freischaffender Musiker über Wasser, ehe er - auch beflügelt durch den damals großen Erfolg seiner Oper Die heilige Ente - 1929 zum Direktor der Städtischen Musikhochschule Mainz berufen wurde. Vier Jahre später vertrieben ihn die Nazis aus dem Amt einschließlich Veröffentlichungsverbot. Er ging erst nach Wien und konnte 1938 nach England emigrieren, wo er in Edinburgh heimisch wurde. Ein deutsches Schicksal, von dem seine bei der Heidelberger Premiere anwesende Tochter Eva Fox-Gál im Programmheft berichtet.
Gál war ein geschickter Bühnenkomponist, der um Effekte wusste und die Kunst des Instrumentierens souverän beherrschte, insbesondere durch die farbenreiche Verwendung von Holz und Blech. Manchmal klingt seine Musik ein wenig nach Richard Strauss, die grelle Groteske zwischendurch gemahnt vielleicht an Prokofieff, und alles zusammen unmittelbar nach Hans Gál.
Und der Stoff ist skurril und komödiantisch, voll Witz und griffiger Szene. Für ein quasi rituelles Fest beim Mandarin soll Kuli Yang eine Ente liefern. Die quakt herzzerreißend und kommt abhanden. Denn der Kuli passt nicht auf sie auf, weil er sich verbotenerweise in die wunderschöne Li, Gattin des Mandarins, verguckt. Er wird zum Tod verurteilt. Kuli Yang hat einen letzten Wunsch, den Rausch des Vergessens; die Götter vertauschen die Rollen, Kuli Yang schafft als Mandarin die Todesstrafe ab, und so weiter, immer weiter durch die Verwechslungen und Liebesträume. Bis am Ende wieder einiges ins Lot kommt, denn dem Kuli fällt vom Himmel herab ein güldenes Entenei in den Schoß, worauf er ob dieses Wunders zum Bonzen befördert wird, derweil Li wieder zum Mandarin findet.
Regisseurin Sonja Trebes macht daraus einen verrückten Sommernachtstraum, in dem die Figuren durcheinandergewürfelt werden. Dietger Holm am Pult des Philharmonischen Orchesters liefert die aufpeitschende Musik zu, pointiert und drängend, manchmal für manche Gesangslinien zu laut. Das Personal ist gut drauf. Kammersänger Winfrid Mikus überzeugt durch eine über viele Jahre immer gleich hohe Qualität in Tenorstimme und Spiel. Carly Owen macht mit attraktivem Sopran und ebensolchem Aussehen eine begehrenswerte Li, deren Gatte in hellem, noblem Gewand eine Wandlung hin zu Selbsterkenntnis durchmachen darf. Ipca Ramanovic zeigt ihn mit sensiblem, rundem Bariton. Frech agiert Hye-Sung Na als quirlige Tänzerin und Intrigantin; gewohnt stabil agieren James Homann (Gaukler), Wilfried Staber (Bonze) und João Terleira (Haushofmeister). Als verlotterte Zausel sind die Götter (Björn Beyer, Lars Conrad und Han Kim) kostümiert, was die Absicht von Komponist und Librettist unterstreicht, dass Oben und Unten keine gottgewollten Zuordnungen sein müssen, wie auch Mandarin und Kuli beide Seiten des Lebens und der Liebe kennenlernen.
Nach knapp drei Stunden voller klanglicher und szenischer Turbulenzen darf das Premierenpublikum erschöpft aber zufrieden heftigen Beifall spenden.