Übrigens …

Dark Spring im Nationaltheater Mannheim

Im Ende steckt der Anfang

Ach, wie schön. Der Premierengast kann die Füße nach Belieben ausstrecken, keine Nebensitzer stören die Aufnahmefähigkeit. Zuvor musste er personalisierte Karten plus Lichtbildausweis vorzeigen, Bar und Café sind geschlossen, der Toilettenbesuch streng reglementiert - wären die Regeln überall in deutschen Landen so penibel überwacht, wir hätten die Pandemie längst besiegt. Vorbildlich. Jene Aufnahmefähigkeit hingegen wird schon ziemlich strapaziert, wenn das Nationaltheater sein Auftragswerk Dark Spring des Deutsch-Amerikaners Hans Thomalla als Uraufführung präsentiert. Der ist in der Branche anerkannt, spätestens seit seine Oper Kaspar Hauser vor vier Jahren in Freiburg für große Aufmerksamkeit sorgte.

Das Thema ist ernst, denn Thomalla hat Frühlings Erwachen von Frank Wedekind zur Vorlage seine Librettos genommen und Joshua Clever um Songtexte gebeten. Heraus kam aber kein Potpourri zwischen Britten-Anklängen und Pop, Hardrock und melancholischer Elegie, Disco-Taumel und Musical-Zitat, sondern eine durchkomponierte Oper, die zudem bildmächtig mit illustrierenden und kommentierenden Videos auf die Bühne kommt. Das spiegelt Sehnsüchte und Ängste Heranwachsender, die den Irritationen erwachender, auch fehlgesteuerter Sexualität bis hin zur Vergewaltigungsszene ausgesetzt sind. Sie suchen nach Befreiung und sind gleichwohl gefangen.

Das Personal ist bei Hans Thomalla im Vergleich zu Wedekind deutlich reduziert. Zwei Jungmänner (Moritz/Magid El-Bushra und Melchior/Christopher Diffey) und zwei junge Frauen (Wendla/Shachar Lavi und Ilse/Anna Hybiner) umkreisen sich, prallen aufeinander, suchen Harmonie und enden im Zwist, finden kaum Identität, aber immer Sehnsüchte.

So ist das Leben? Zumindest auf der wohl koordinierten Bühne, die über Laufstege und geometrisch geschichteten, hintergründigen Kammern die Bewegungsabläufe der Figuren ordnet, wie auch Alan Pierson am Pult die zehn (Band-)Musiker - natürlich coronamäßig verteilt und integriert - bestens im Griff hat. Mal grell mal subtil, wie Thomalla es vorschreibt.

Seltsam dennoch, diese Oper scheint weder Ende noch Anfang aufzuweisen, denn sie umkreist sich selbst.

Freundlicher Beifall nach 90 Minuten Spieldauer.