Übrigens …

Death Positive – States of Emergency im Gorki-Theater

Dem Tod so nah

Im weitesten Sinne morbide kann man das nennen, was das Gorki-Theater einem aktuell auftischt: In Death Positive – States of Emergency darf man sich erstmal kräftig Sorgen um Corona machen, denn darum geht’s in der Inszenierung der Haus-Regisseurin Yael Ronen, die sie mit dem Gorki-Ensemble auf die Bühne bringt.

Am Gorki-Theater wird jede Richtlinie der Politik im Hinblick auf Corona quasi mustergültig umgesetzt: Die Sitzreihen sind gelichtet, eine umfangreiche Anleitung wird einem vorab per Mail zugeschickt, wann man wo sein soll, und auf dem Boden des Foyers sind die Pfeile aufgebracht, die einem den Weg weisen, die richtige Richtung zu gehen, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen einem freundlich aber bestimmt die Grenzen auf, wenn man versehentlich in die falsche Richtung geht oder zu schnell auf die Toilette will.

Ja, klar, dass man da auf die Idee kommen könnte, sich jetzt auch mal künstlerisch mit der aktuellen gesellschaftlichen Situation auseinanderzusetzen. Hier will sich niemand die Masken vom Gesicht reißen, um gegen die Pandemie anzuschreien. Die Schauspielerinnen und Schauspieler auf der hell erleuchteten, weiß getünchten Bühne stimmen in den allgemeinen Corona-Singsang ein.

Niels Bormann kommt als Hygiene-Beauftragter auf die Bühne, diese wird mit Absperrband markiert und dabei gibt Bormann Bekanntes aus dem aktuellen Hysterie-Vokabular zum Besten.

Das Ganze changiert zwischen Kabarett, Zeitanalyse und bitter-ernster Langeweile irgendwo im Gorki-Hallraum, wo sich das Wort Corona schnell erschöpft und auf den Boden der Tatsachen inszenatorischer Gesetzmäßigkeiten der Spannungserzeugung trifft.

Nein, Hand aufs Herz, die Gags sind irgendwie halbgar, und die Intention nicht so ganz klar: Muss es ja auch nicht sein, wenn man sich mit einem Thema auseinandersetzt, aber insgesamt erscheint vieles zu nah dran an der Realität, zu wenig doppelbödig oder entschieden ins Groteske gewendet. Dann kommt ein Solo von Lea Draeger, die sich zur Einsamkeit im Lockdown Gedanken macht.

Einen unerwarteten Dreh bekommt die Inszenierung, als es auf einmal um das Sterben im herkömmlichen Sinne geht. Oder ist der Dreh vielleicht gar nicht so überraschend? Die Ausnahmesituation bringt uns alle zum Überlegen über das, was uns wichtig ist im Leben, lässt Unwichtiges zurück, und Wichtiges in den Fokus rücken. Klar, dass Gesundheit uns allen auf einmal schätzenswerter als sonst erscheint.

Richtig ernst wird es also erst mit Knut Berger und Orit Nahmias: In langen Monologen erzählen diese vom Sterben ihrer Eltern. Die Diagnose Krebs, erschreckend profan kommt diese daher, weder abstrakt oder medial ausgewalzt, sondern schlichtweg bedrückend.

Ja, es hakt hier und da, und ein bisschen moralinsauer darf man die Geschichte schon nennen, ist sie auch noch so ernst.