Spätes Liebesglück?
Sportlich, sportlich, unser Signore Don Pasquale! Trotz fortgeschrittenen Alters und eines doch sehr beträchtlichen Bauchumfangs steigt er getreu dem Motto „Fit for Fun“ brav in sein Rudertrainingsgerät. Hin und zurück, hin und zurück. Das stählt die Muskeln! Aber wie heißt es doch noch: wer schön sein will, muss leiden. Und schön sein möchte er unbedingt, der Signore. Schließlich frönt er auf seine alten Tage noch der Idee, sich eine hübsche Signoria zu angeln - gegen die Tristesse des Alltags und zur Steigerung des „Fun“-Faktors im schmucken Eigenheim! Zumal das Objekt seiner Begierde zum Greifen nahe ist: Norina!
Dies der Anfang jener Komödie, aus der Gaetano Donizetti seine Erfolgsoper Don Pasquale gemacht hat. Am Oldenburgischen Staatstheater wird daraus ein herrlich buntes Dramma buffo, köstlich inszeniert von Regisseur Christoph von Bernuth, fabelhaft umgesetzt von einem wirklich erstklassigen Solistenensemble und dem in reduzierter Besetzung spielenden Oldenburgischen Staatsorchester. Am Pult: Vito Cristofaro, seit 2014/2015 1. Kapellmeister am Haus, der Donizettis funkelnden Klänge mit großer Vitalität und quecksilbrigem Glanz zur Geltung bringt. Duftige Streicher, samtige Holz- und Blechbläser - alles in allem elegante Töne aus dem Graben.
Ein bisschen Mitleid kann man schon haben mit dem alten Hagestolz Don Pasquale, wird ihm doch im Grunde übel mitgespielt. Nicht nett, was Don Pasquales Neffe Ernesto und dessen Freund Malatesta da ausgeheckt haben: eine vermeintlich ach so keusche Klosterfrau „Sofronia“ wird dem ältlichen Junggesellen präsentiert, der flugs sein Trainings-Dress als Trocken-Ruderer abgelegt hat und zum fein herausgeputzten Beau mutiert, um sich erwartungsvoll der Zukünftigen zu nähern. „Sofronia“ hört im wahren Leben auf den Namen Norina, deren Herz eigentlich und intensiv für Ernesto schlägt. Sie frönt - quasi als Wiedergängerin von Imelda Marcos, der einstigen philippinischen „First Lady“ mit zweifelhaftem Ruf - ihrem Tick des Sammelns von Unmengen an Schuhen, für die Piero Vinciguerra eine äußerst beeindruckende überdimensionale Schrankwand auf die Bühne stellt.
Martha Eason in der Rolle der Norina/Sofronia lässt keinen Augenblick einen Zweifel daran, dass ihr der alte Don Pasquale doch ziemlich egal ist. Kaum hat der sich in sie, diese schöne Holde verguckt, verwandelt sie sich in ein kratzbürstiges, widerspenstiges Biest und wirft das sorgsam gehortete Geld des Lovers mit vollen Händen aus dem Fenster. Nicht genug damit: neues Personal wird eingestellt, Diener und Lakaien, die eben jenem Kammerherrn Konkurrenz machen, der schon seit einer gefühlten Ewigkeit dem Don Pasquale das Leben angenehm macht. Mykola Pavlenko schlüpft in diese umwerfend komisch gezeichnete Rolle, Regisseur Christoph von Bernuth hat ihn sich ausgeliehen aus der TV-Kultserie „Dinner for One oder Der 90. Geburtstag“. Wer kennt es nicht, das Tigerfell samt Kopf, über den der Butler James permanent stolpert? Nur dass er hier, im Oldenburger Opernhaus, nicht Miss Sophie den Schampus eingießt, sondern Signore Pasquale allzeit zu Diensten steht. Und sich schon von Anfang an genüsslich einen „hinter die Binde“ kippt - nicht ohne Folgen! Der arme Mann gerät schon bald ins Schwanken…
Donato Di Stefano dagegen bleibt aufrecht und verleiht der Hauptperson, dem Don Pasquale, eine stattliche Ausstrahlung. Ihn, den international weit gereisten, erfahrenen Bassisten, darf man getrost als Idealbesetzung für diese Buffa-Rolle charakterisieren. Sängerisch ohne jeden Fehl und Tadel, darstellerisch eine Wucht! Was uneingeschränkt auch für César Cortés gilt, der den Ernesto mit großem Charme ausstattet. Ein Tenor von großer Präsenz, völlig unangestrengt, Brust- und Kopfstimme stets elegant miteinander verbindend. Die bereits erwähnte Martha Eason absolviert mit Grandezza sämtliche Koloraturen, die unmittelbar an das Presto-Parlando eines Gioachino Rossini erinnern. Schließlich Leonardo Lee als Dottore Malatesta, ein balsamischer, farbenreicher Bariton und Logan Rucker als hilfreicher Notar, der den Ehevertrag unter Dach und Fach bringen soll. Alle Protagonisten zeigen sich in bester Spiellaune und realisieren perfekt das Regiekonzept, das hier ganz auf Komödie mit - natürlich - Happy End setzt.
Das Große Haus des Staatstheaters ist Corona-konform eingerichtet. Im Parkett nur eine begrenzte Zahl von Plätzen, in den Rängen eindeutig erkennbare Sitzgelegenheiten, Desinfektionsmittel und Aufnahme persönlicher Daten… - so vermitteln die Verantwortlichen ein überzeugendes Gefühl von Sicherheit und Einhaltung sämtlicher Hygiene-Vorschriften. Bis Ende diesen Jahres wird es an diesem Theater ganz sicher problemlos so weiter gehen können - und nicht nur hier!