Von der Scholle gefallen
Nicht immer springt der Theaterfunken über und nicht immer kann eine Inszenierung überzeugen. Einen weder kurzweiligen noch intellektuell oder sprachlich überzeugenden Abend erwartet denjenigen, der oder die an der Schaubühne Kein Weltuntergang konsumiert.
Es gibt eine Reihe literarisch-dramaturgischer Beispiele, wo der geneigte Rezipient den Eindruck erhält, dass allein ein gesellschaftlich relevantes Thema genügen würde, um dem Text die Bedeutung zu verleihen, die er verdient. Die britische Schriftstellerin Chris Bush hat sich den Klimawandel vorgeknöpft, doch leider versuppt die Temperaturerwärmung irgendwo zwischen schmelzender Scholle und leicht piefiger Bühnengestaltung. Da kommen drei Frauen (Dr. Anna Vogel: Alina Vimbai Strähler;Prof. Uta Oberdorf/Lilly Draxler: Jule Böwe; Lena: Veronika Bachfischer - alle Schauspielerinnen erscheinen etwas verkopft bis holzschnittartig)abwechselnd durch Türen auf die Bühne gestapft und es wechseln sich in szenisch aneinander geschnittene Themen- und Dialogwechsel ab. Eine Wissenschaftlerin (Strähler) bewirbt sich bei einer Wissenschaftlerin (Böwe) um eine Post-Doc-Stelle, doch in der Kommunikation ist der Klimawurm drin: Mal kommt sie zu spät, mal tritt sie in den Öko-Correctness-Fettnapf, weil sie nicht ökoeffizient angereist ist. Dazwischengeschnitten von Regisseurin Katie Mitchell eine irgendwie leicht skurril-tantige Damoklesschwertfigur (Bachfischer), die eine Urne ostentativ dem angestrengt-interessiertem Publikum entgegen hält. Denn in der Zukunft ist wohl eine der Wissenschaftlerinnen in der Arktis vom Eisbären getötet worden.
„Der neue Text von Chris Bush dreht sich um den Klimawandel. Durch die Perspektiven von Klasse, Patriarchat und Kolonialismus erkundet Kein Weltuntergang die Klimakrise, jenes „Hyperobjekt“, viel zu groß, um vollständig erfasst werden zu können, und doch mit nahezu jedem Aspekt unseres Lebens verflochten. Das Stück bietet kein lineares Narrativ, sondern Fragmente unzähliger möglicher Erzählungen. Die collagenhafte, zersplitterte Form des Textes lädt die Zuschauer*innen ein, ein eigenes Narrativ zu konstruieren,“ schreibt die Berliner Schaubühne zu Kein Weltuntergang . Klingt etwas gewollt, konstruiert und überambitioniert. Und so ist es dann auch.
Was ist die Message von Bush? Sollte man die Probleme im Hier und Jetzt lösen, anstatt die Eisbären in der Arktis zu nerven? Dass es den Klimawandel doch gibt, und keine Erfindung der Elektroauto-Lobby ist? Das wussten wir schon! Oder doch nicht?
Humor hat in dem etwas schrulligen Abgesang auf den Untergang des Abendlandes wenig Platz. Gutwillig könnte man sagen, dass man den krass-kapitalismuskritischen Belehrungston als Ironie verstehen könnte. Doch dann müsste gelacht werden. Das Publikum sitzt aber stumm und artig die gut anderthalb Stunden ab, lässt sich dann Corona-Regelkonform Reihe für Reihe wieder aus der Schaubühne leiten.
Hätte nur noch gefehlt, dass Influencer Blauhaar „Rezo“ eingeblendet wird, und eine Wahlempfehlung Richtung Baerbock abgibt. Aber wenigstens das bleibt einem erspart.