Großformat
Opernitalien beginnt noch immer an der Maas. Die Eröffnungsproduktion der neuen Liégoiser Spielzeit liefert den Beweis. La Forza del Destino an der Königlich Wallonischen Oper geht auf eine Grundidee ihres verstorbenen Intendanten Stefano Mazzonis di Pralafera zurück, der das Werk vom Ausgang des 18. Jahrhunderts in die Jahre des Ersten Weltkriegs verlegt sehen wollte. Auf der Bühne bleiben davon ein zeittypisches Kriegslazarett sowie Uniformen und Kostüme, die auf den Beginn des 20. Jahrhunderts verweisen. Regie führt Mazzonis‘ einstiger Assistent Gianni Santucci. Dass dieser immer auch als Choreograph arbeitete, ist der Produktion deutlich anzumerken. Ob vor dem Dorfwirtshaus oder im Feldlager, es sind nicht allein die Tanzenden, die solche Szenen durchchoreographiert zeigen. Überdies gelingen Santucci effektsichere Tableaus, visuell bestechend in den Klosterszenen des zweiten Aktes, in denen die Autorität des Guardians und seines Konvents die geflüchtete Leonora machtvoll schützend umfängt. Hier in den Klosterszenen wirkt sich die Öffnung zahlreicher Striche äußerst vorteilhaft auf die Entfaltung von Handlung und Musik aus. Beide beweisen langen Atem, ohne dass sich Langatmigkeit einstellt. Freilich vermag das choreographische Element der Produktion im Verein mit der Öffnung von Strichen in den Genreszenen die Proportionen zu Lasten der Dramatik zu verschieben, so im Feldlager des dritten Akts. Der Versuch, Preziosilla aufzuwerten, wird dort von der Musik nur bedingt mitgetragen.
Für die Bühne bietet Gary Mc Cann die Monumentalität und Detailfreude eines Hollywood-Historienstreifens auf. Stilgenaue spanische Gotik darf ebenso wenig fehlen wie die pittoreske Dorfgastronomie oder eine kriegszerstört-malerische Ruinenlandschaft. Zu diesen Lokationen steuert Fernand Ruiz Kostüme bei, die das zwanzigste Jahrhundert eher dezent andeuten. Alex Brok taucht die Bühne oft in unspezifisches Dunkel.
Musikalisch ist die Produktion ein Wurf. Mit dem Chor der Liégoiser Oper erzielt Denis Segond zugleich Durchschlagskraft und Transparenz. Renato Palumbo realisiert mit dem Orchester des Hauses sowohl das Drängende der Musik wie auch die weit gespannten Bögen der sakralen Szenen. Die Streicher sind berückend.
Maria José Siri ist Leonora. Und setzt Maßstäbe. Raumgreifend noch in den zartesten Piani, schimmert, funkelt, glänzt und strahlt Siri in edelsten Leidenschaften. Marcelo Álvarez stattet seinen Don Alvaro mit tenoraler Emphase und Attacke aus. Einen noch in den Hasstiraden balsamischen Don Carlo gibt Simone Piazzola. Der Guardian gewinnt bei Michele Pertusi differenziert phrasierende Riesenstatur. Enrico Marabelli ist ein stimmlich agiler Frau Melitone. Nino Surguladze verleiht der Preziosilla eine für die Figur ungewohnte Eleganz.