Schon damals hatten sie Probleme
Schlimme Zeiten damals. Die Pest hatte gewütet, der Dreißigjährige Krieg Zerstörung, Grauen und Hungersnöte gebracht, die Bevölkerung halbiert und die Überlebenden verarmt. Dennoch ging „ein Ruck durch Deutschland“, denn die Musikanten, entweder direkt betroffen oder als Nachfahren noch traumatisiert, komponierten unverdrossen weiter. Teils voller Gottvertrauen oder auf weltlicher Glückssuche, aber immer auf der Spur dessen, was den Menschen in seinem Verhältnis zum Übergeordneten bewegt.
Was frag' ich nach der Welt! nennt sich ein barockes Musiktheater, mit dem das Theater Heidelberg sein 15. Festival Winter in Schwetzingen im dortigen Schloss eröffnete. Von Peter Spuhler und Bernd Feuchtner seinerzeit gegründet unter dem Aspekt „Vivaldi als Opernkomponist“, dann vom Intendanten-Nachfolger Holger Schultze und dessen Operndirektor Heribert Germeshausen der versunkenen neapolitanischen Oper gewidmet, und jetzt mit der Operndirektion Ulrike Schumann/Thomas Böckstiegel der deutschen Barockoper zugewandt.
Endlich darf das bezaubernde Rokoko-Theater wieder voll bestuhlt werden, zuvor allerdings hat der Besucher genaue Kontrollen durchlaufen, ehe er ein Pasticcio mit Kompositionen von Johann Christoph Bach (Schwerpunkt) bis Biber, Scheidt und Krieger einschließlich weniger geläufiger Namen wie Briegel, Albert oder Erlebach genießen darf. Denn das Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg hat sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten eine bemerkenswerte Stilsicherheit für die „historisch informierte“ Spielweise erworben und konnte deshalb unter dem Dirigat von Clemens Flick regelrecht auftrumpfen. Dazu ein variables und ausdrucksstarkes Gesangsensemble mit Dora Rubart-Pavliková (Sopran), Katarina Morfa (Mezzo), João Terleira (Tenor) und Edward Grint (Bariton), das vom Solo bis zum Quartett ausgezeichnet die Farben und Stimmungen herausarbeiteten, bis hin zur nahegehenden und anrührenden Choral-Schlichtheit der Bach-Strophen „Es ist nun aus mit meinem Leben – Gute Nacht!“ Aber es ging alles um Liebe und Schmerz, Hoffnung und Verblendung, Torheit und Endzeitstimmung, was das Leben halt so ausmacht.
Sie mussten auch ziemlich viel an Bewegung absolvieren, denn die Regisseurin Claudia Isabel Martin ließ sie im abgedunkelten Bühnenraum von Veronika Kaleja durch viele Aktionen hetzen. Ja, sie öffneten Türen, schlüpften hindurch und kamen wieder. Das mag für die Suche nach dem Ich und der Welt stehen. Dann kamen die Türen schräg von oben abgesenkt, ja die Welt ist „verrückt“, doch insgesamt schien die szenische Konzeption doch ein wenig mager. Gewiss, zwischendurch erinnerte sich die Regie an barockes Bühnenspektakel, wenn eine vierflügelige Windmaschine ordentlich pustete, Nebel und Theaterdonner für Kurzweil sorgten und gegen Ende der Weltenbrand mit ordentlich zuckenden Flammen illustriert wurde. Dennoch: Für fast zwei Stunden war der eher eindimensionale Ablauf mit leichten Ermüdungserscheinungen seitens der Premierenbesucher durchsetzt.
Gleichwohl: Ein interessantes Experiment mit Einblicken in die barocke Vielfalt, das auf viel Zustimmung stieß..