Übrigens …

Reden über Sex im Schaubühne Berlin

Let's talk about it!

Ist sie nicht einfach „oversexed and underfucked“ („übersexualisiert und untervögelt“) unsere Gesellschaft? Vieles spricht dafür. Viele Menschen werden nach wie vor rot, wenn sie über Sexualität reden - andererseits werden die Schulhöfe unserer Nation mit Pornos überflutet, die sich Kiddies auf ihren IPhones ansehen: Das Thema wird von Stereotypen, Verklemmtheit, Übersteuerung, Erwartungen und Enttäuschungen beherrscht.

Gut also, dass Maja Zade sich dieses Thema an der Berliner Schaubühne angenommen hat. Mit Reden über Sex gelingt ihr ein überzeugender Theaterabend, der facettenreich Sexualität beleuchtet. An den Reaktionen des Publikums ist erkennbar, dass die offene Kommunikation über Sex einen Nerv trifft - doch beim genaueren Hinsehen erscheinen die Geschichten, welche die sechs Schauspieler erzählen (sehr unterschiedliche aber in sich sehr gut harmonierende Zusammenstellung der Charaktere: Robert Beyer, Carolin Haupt, Jenny König, Genija Rykova, Konrad Singer, Lukas Turtur), oftmals verstörend. Die offene Kommunikation über Sex enthüllt viel Dysfunktionales.

Da ist der Sohn, dessen sieche Mutter ihm in den Schritt fasst. Mutterliebe wird zur Perversion. Da ist die verunsicherte Frau, die erst mit 29 ihre Jungfräulichkeit verliert und deren Freund nur noch mit ihr schläft, wenn sie ihre Periode hat. Fetisch statt Seelennähe. Da ist der homosexuelle Katholik, der mit dem ersten Sex mit seinem Freund bis nach der Hochzeit warten will. Doch die Spannung und Anziehung verfliegt nach dem ersten Koitus. Enttäuschung und Verunsicherung über die eigene Emotionalität und Wahrnehmung.

Was die Autorin Zade überzeugend hinkriegt, ist, das Thema ohne Wertungen und moralischen Zeigefinder aufzudröseln. Die Protagonisten treffen sich innerhalb einer Yogagruppe. Die Gruppennähe scheint das individuelle Öffnen fast so leicht wie beim Psychodoc zu machen und das Miteinander ist vielleicht sogar effektiver, weil die unterschiedlichen Sichtweisen in der Gruppe ineinandergreifen. „Ist doch gar nicht so schlimm, auch mal unangenehme oder heikle Themen offen anzusprechen“, scheint die Message zu sein.

Regisseur Marius von Mayenburg kitzelt nebenbei noch allerhand Talente der Schauspieler*innen heraus: Da wird zu den „Pet Shop Boys“ getanzt, gesungen und die eine oder andere gekonnt-ironische Persiflage abgegeben.

Was bleibt? Die Erkenntnis, über (die eigene) Sexualität ruhig einmal sprechen zu dürfen.