Übrigens …

Parsifal im Theater Koblenz

Gralssuche im Weltall

Das Theater Koblenz, 1787 als Hoftheater des Trierer Kurfürsten in seiner Zweit- und zugleich Lieblingshauptstadt am Zusammenfluss von Mosel und Rhein eröffnet, ist mit 500 Plätzen ein eher intimes Haus. Zur Einweihung gelangte Die Entführung aus dem Serail als damals ziemliche Novität auf die Bühne. In der Tat ist der Orchestergraben für einen Klangkörper der Mozartzeit ausgelegt, doch lassen sich auch die meisten Repertoireschlager Verdis und Puccinis adäquat zu Gehör bringen.

Ein Riesenformat wie Parsifal freilich nötigt das in veritabler Wagner-Stärke antretende Orchester auf die Bühne. Immerhin erlaubt deren Tiefe von 18 Metern, dass zureichende Spielfläche übrigbleibt. Dies im Verein mit dem den Aktionsraum noch erweiternden Hubpodium des Orchestergrabens, das sich für effektvolle Auftritte aus der und Abgänge in die Versenkung nutzen lässt. So steht denn in Koblenz der szenisch angemessenen Lösung der monumentalen Aufgabe nichts im Weg.

Bühnenbildner Bodo Demelius breitet über den Schauplätzen eine Kuppel aus, die zugleich Assoziationen mit gotischen Sterngewölben und mehr noch Weltraumstationen auf fernen Himmelskörpern weckt. Demelius‘ von luftbefüllten „Gewölberippen“ durchzogene Kuppel ist nicht allein ein Hingucker, sondern ein immer wieder überraschender echter coup de théâtre. Georg Lendorff verstärkt die spacige Atmosphäre durch Videos, auf denen die Erde aus dem Weltall zu betrachten ist und Raumschiffe patrouillieren. Zur Andeutung der konkreten Schauplätze genügen Projektionen und Requisiten, etwa für den Karfreitagszauber Tiersilhouetten. Einzig der Gral als in unterschiedlichen Farben aufleuchtender Plexiglaspfeiler bietet in seiner Unverbindlichkeit eine Verlegenheitslösung. Bernhard Hülfenhaus steckt die Ritterschaft auf Montsalvat in „Startreck“-Overalls. In Klingsors Zaubergarten wandeln Kundry und die Blumenmädchen im Nonnenhabit einher, ehe die züchtige Tarnung fällt und sie in verführerischem Rot dastehen.

Hausherr und Regisseur Markus Dietze zeigt, wie schon bei Parsifals erstem Besuch auf der Gralsburg die Geschehen um den leidenden Amfortas durchaus nicht spurlos an ihm vorüberziehen. Er ist der Frage nach der Ursache der Pein nahe, doch fehlt es am entscheidenden Impuls. Wenn aber dem „reinen Toren“ durch die Konfrontation mit Kundry in Klingsors Zauberreich schlagartig ein Licht aufgeht, vereinen sich Seelennot, Mitleid und Sehnsucht, die Gralsburg wiederzufinden zum Parsifals ganze Existenz aufrüttelnden Entschluss, sein Leben zu ändern. Von hier aus sieht Dietze der Titelfigur die Kraft und Vollmacht zur Erlösung Kundrys und des Amfortas zuwachsen.

Ebenso wie die szenische gewinnt die musikalische Seite des Koblenzer Parsifal. Zwar lässt Aki Schmitt die Herren von Chor und Extrachor zuweilen allzu grell hervorstechen und auch die Koordination mit den hinter der Bühne befindlichen Damen bedarf der Feinjustierung, aber das wird sich im Verlauf der Aufführungsserie geben. Marcus Merkel am Pult des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie sorgt für vollsaftige Streicher und prägnantes, doch immer in den Gesamtklang eingebettetes, Blech. Das Schlagwerk kommt ein wenig grob daher.

Ganz und gar erstaunlich die Besetzung der Titelfigur samt Gurnemanz, Klingsor und Titurel aus dem eigenen Ensemble. Tobias Haaks ist ein nimmermüder Parsifal. Zum Baritonalen tendierend greift Haaks vokal äußerst kompakt in den Raum hinein. Jongmin Lim verleiht seinem Gurnemanz die Statur einer mächtig ragenden Säule. Nico Wouterse gibt Klingsor auch stimmlich als Getriebenen. Voller Verve und dabei gänzlich unangefochten stürzt sich die zwischen 1990 und 2014 fest in Koblenz engagierte, aber weiterhin dem Haus eng verbundene Monika Mascus in die hochdramatischen Exaltationen Kundrys. Amfortas ist bei Hansung Yoo ergreifend aufgehoben. Zurück ins hauseigene Ensemble: Chorsolist Werner Pürling überzeugt als Titurel.