Lulu im Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg

Lulu, und immer wieder Lulu

Eine Tragödie ohne Erbarmen hat sich Frank Wedekind mit der Geschichte der Lulu Ende des 19. Jahrhunderts ausgedacht, damals, als Autoren wie Oscar Wilde noch wegen „Unzucht“ (Homosexualität) ins Gefängnis wanderten und Frauen sittsam und artig zu sein hatten, damit sie den Normen der Gesellschaft entsprachen.

Das Berliner RambaZamba-Theater dröselt momentan Lulu brachial und mit extra viel Hohn und Zynismus auf - Regisseur Jacob Höhne gelingt eine heftige Show rund um weibliche Sexualität und männliches Begehren: „Es geht um eine Frau und viele Männer. Es geht um „Freiheit, um Sex, Macht, um Schuld, Angst, Scham und Tabus“, schreibt das Theater zum Plot, das dem Ensemble, welches Schauspieler*innen mit Behinderung, unter anderem dem Down-Syndrom, inkludiert, geradezu auf dem Leib geschneidert zu sein scheint. Denn gerade durch die Brechung des Textes an den subtilen Erwartungen, die mit der Lulu (hier stark aufspielend: Zora Schemm) verbunden sind, bekommt Lulu extra viel Drive und Direktheit.

Ja, Lulu war und ist eine Kunstfigur. Damals bei Wedekind und heute in den Theatern dieser Welt zudem, da wir doch alle meinen, Rollenklischees überwunden und in einer aufgeklärten Gesellschaft zu leben, in der Frauen unbekümmert ihren Weg gehen können.

Aber so einfach ist es freilich nicht. Alleine die Tatsache, dass RambaZamba eines der wenigen erfolgreichen Theater ist, die dezidiert auf Inklusion setzen, zeigt, dass wir Barrieren im Denken, selbst in der Kunst, noch lange nicht überwunden haben.

Die Bühne (Robin Metzer) ist mit Erde zugeschüttet. Ein gelungenes Sinnbild, schließlich landet bei Wedekinds Story nicht nur die eine oder andere Figur unter der Erde, sondern auch ausgesprochene oder unausgesprochene Lüste und Konflikte.

Da ist die Lulu, fremdgesteuerte Figur, die Sehnsüchte und Wünsche in sich vereint, zur männlichen Manipulation freigegeben ist und dabei doch ihre Umwelt bewusst-unbewusst steuert, tieferliegende psychologische Konflikte offen legt, alleine durch die Kraft ihrer weiblichen Sexualität.

Lulu von RambaZamba – eine sehenswerte, düstere Show für alle Fans origineller, unkonventioneller Inszenierungen.