Halt mich auf im Theater unterm Dach

Revolte auf dem Weg zum Tiny House

Ein großes Bauprojekt steht kurz vor der Realisierung. Neue Wohnungen für alle, die sie sich leisten können, lautet die Parole, die die junge Autorin Annika Henrich, 1990 geboren, als Dreh- und Angelpunkt ihres Textes Halt mich auf nutzt.

Die Koproduktion zwischen dem Berliner „Theater unterm Dach“ und dem „monsun.theater“ in Hamburg macht eindringlich auf die gesellschaftliche Relevanz von „Wohnraum“ aufmerksam: Ist Wohnraum noch ein für jeden zugängliches Grundrecht oder bereits den Mechanismen des Marktes unterworfenes Spekulationsobjekt?

Da ist der Bauunternehmer, der von Urs Fabian Winiger als scharfzähniger Hai im Kapitalismus-Becken gegeben wird. Sein Sohn stellt den Vater mit seinen Werten infrage. Generation „Fridays for Future“ steht auf Tiny Houses und nicht auf goldene Wasserhähne. Im Raumanzug und hier und da spleenig singend überzeugt Quintus Hummel als aufmüpfiger Sohn.

Im Programmheft ist ein Artikel der Berliner Morgenpost über das Bauprojekt „Steglitzer Kreisel“ zu lesen, jenem vertrackten und von Skandalen umnebelten Millionengrab, an dem sich schon der eine oder andere Investor sein Mütchen gekühlt haben soll – die Käufer hingegen warten auf ihre Wohnungen und die Bauarbeiter seien nur selten bei ihrer Arbeit zu beobachten.

Henrich nimmt mit ihrem Stück, das 2019 mit einem österreichischem Publikumspreis belohnt wurde, ein brisantes Thema unserer Zeit auf: Oft gelingen ihr bissige, witzige Monologe (in weiteren Rollen als Sinnsuchende einer in sich wenig sinnstiftenden Zeit: Luise Schnittert und Christina Hilkens), allerdings kommt beim Kreisen über sich selbst manchmal die Handlung zu kurz. Auch die Möglichkeit, die Charaktere weiter gegeneinander auszuspielen, wird zu wenig genutzt, um die Bruchstellen einer auseinander driftenden Gesellschaft bösartig-scharf zu pointieren. Einmal fliegen die Backsteine, in Form Kartonage, die das „Theater unterm Dach“ unter die Stühle gelegt hat, Richtung Bau-Investor.

Aber Theater wäre nicht Theater, wenn dieser gegen Ende des Stückes Läuterung sucht: Eine WG will er aufmachen und ab und zu für seine Mitbewohner kochen. Die Pointe wirkt ein wenig brav.

Das Berliner Publikum ist merkbar angetan von Stück und Thema, das sicherlich viele Besucher*innen ebenfalls bewegt.