Adoption als Erfolgsgeschichte
Ein Theaterstück wie ein Dokumentarfilm. Eine Figurenanordnung wie am Schachbrett. Dialoge so vorgestanzt, als habe die Autorin diese als Retortenbaby unter Annahme der größtmöglichen Schnittmengen zu ihrem Publikum entwickelt, um ja niemanden zu verprellen: Das Thema „Adoption“ als gelungene Anordnung von ungleichen Parametern, die am Ende doch sinnvoll-harmonisch ineinandergreifen.
Adoption als Erfolgsgeschichte. Menschliche Brüche als Petitessen, die durch ein psychologisches Fachgespräch schnell behoben werden können - darum geht es „Kindheitsarchive“.
Die „normale“ Welt ist ja eigentlich geprägt von Widersprüchlichkeiten. Menschen haben Stärken und Schwächen. Pläne gehen manchmal auf - und manchmal nicht! Man hört von Bekannten, die Kinder aus Russland adoptiert haben, von Missbrauch in Waisenhäusern und Traumata, die auch durch beste therapeutische Hilfe nicht in den Griff gekriegt werden können.
Die Schaubühne kreiert demgegenüber aktuell mit Kindheitsarchive eine recht artifizielle Scheinwelt - so mag es zumindest dem einen oder der anderen Besucher*in gegangen sein, die das Stück von Caroline Guiela Nguyen, gleichsam für die Regie verantwortlich, an der Schaubühne sah.
Hier tauchen sie auf, diese (Schein-)Identitäten, die als solche wirken, denn die Tiefe fehlt diesen Menschen, die sich am Thema „Adoption“ entlang eigentlich nur um sich selbst drehen.
Tja, zynisch könnte man sagen: Was machen gut verdienende deutsche Frauen, die keine Kinder kriegen? Sie schauen nach Russland oder Vietnam und suchen nach Kindern, deren Mütter kein Geld haben oder gleich tot sind.
Männer, oder besser gesagt: Väter, haben in Kindheitsarchive von Caroline Guiela Nguyen (aus dem Französischen übersetzt von Uli Menke) nicht viel zu sagen.
Isabel und Rebecca adoptieren aus Russland und Asien. Die eine sucht sich nach erfolglosen künstlichen Befruchtungen in Asien einen Jungen aus (Rebecca Levi: leicht hysterisch und gut gespielt von Ruth Rosenfeld). Die andere wird in Russland fündig. Ein hübsches Mädchen, das den Namen von „Elena“ auf „Nina“ wechseln muss (auch dies ein fragwürdiger pädagogischer Trick, Adoptivkinder mit neuem Namen zu versehen, damit sich diese besser in ihrem neuen Heimatland integrieren) soll es sein - den Bruder lässt sie einfach zurück, rechtfertigt sich später, das Geschwisterpaar auseinander gerissen zu haben (Isabel Meyer: larmoyant-überheblich gespielt von Stephanie Eidt).
Rebecca will offenbar alles richtig machen und überfordert sich und den adoptierten Jungen Son mit eigenen Pädagogik-Ansprüchen. Da hilft das Tadeln der Adoptionshelferin nicht viel, wenn der kleine Son wie ein programmierter Roboter zum Lach-Smiley greift, wird er nach seinen Emotionen in Bezug auf verschiedene Alltags-Situationen gefragt.
Im Ergebnis? Alle haben sich irgendwie lieb in Kindheitsarchive. Die leiblichen Mütter entschuldigen und bedanken sich bei den Adoptivmüttern - und die Adoptivmütter bedanken und entschuldigen sich bei den leiblichen Müttern.
theater:pur freut sich über so viel Einigkeit bei diesem doch eigentlich psychologisch diffizilen Thema.